Der VW-Abgasskandal hat in der Branche als auch weit darüber hinaus hohe Wellen geschlagen. Käufer von Neuwagen der Marken VW, Audi und Skoda sehen sich erheblicher Manipulationen bezüglich der Emissionswerte gegenüber. Wer sich angesichts dessen fragt, ob ein Rücktritt vom Kaufvertrag
möglich ist, sollte jedoch erst einmal einen Gang zurückschalten. Eine manipulierte Software allein genügt dafür nämlich noch nicht.
Wann kann vom Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht werden?
Voraussetzung dafür wäre ein erheblicher Sachmangel am Fahrzeug. Derzeit ist es jedoch noch fraglich, ob ein solcher bei der Manipulation vorliegt. Um diese Frage abschließend klären zu können, bedarf es zunächst einer genauen Offenlegung der Tatsachen. Reicht beispielsweise ein einfaches Software-Update aus, um den Mangel zu beheben, dürfte für einen Rücktritt keine hinreichende Rechtsgrundlage mehr bestehen.
Müssen Kunden die Nacherfüllung dulden?
Der Gesetzgeber sieht neben dem Rücktritt vom Kaufvertrag noch die Möglichkeit der Nachbesserung vonseiten des Herstellers vor. Der Kunde muss also zuerst davon Gebrauch machen, wie es bei anderen Gebrauchsgütern auch der Fall wäre. Sollte es VW möglich sein, den Sachmangel im Rahmen der Rückrufaktion zu beseitigen, ist davon auszugehen, dass von Kunden keine weiteren Ansprüche geltend gemacht werden können.
Was passiert, wenn Verbrauchs- und Emissionswerte nicht mit den vertraglich zugesicherten Werten übereinstimmen?
Die Frage, ob die Werte hinsichtlich des Kraftstoffverbrauchs und der Emissionen noch eingehalten werden können, ist derzeit noch offen. Können die Werte nicht mehr eingehalten werden, gelangt der Rücktritt vom Kaufvertrag in den Bereich des Möglichen. Eine Wandlung gibt es übrigens heute
nicht mehr, denn diese wurde im Rahmen der Schuldrechtsreform im Jahr 2002 abgeschafft. Stattdessen gibt es heute das Rücktrittsrecht.
Gibt es zu diesem Fall bereits Rechtsprechung?
Dass Abgaswerte im großen Stil manipuliert werden, konnte die Rechtsprechung nicht voraussehen. Allerdings gibt es Rechtsprechung zum Kraftstoffverbrauch, denn dieser ist vor allem für den Käufer ein entscheidendes Merkmal beim Autokauf. Es ist zwar anzunehmen, dass Käufer von Fahrzeugen von Abweichungen zwischen Soll- und Istwerten des Fabrikats bzw. der Hersteller wissen. Sie haben dank der Bürokratisierung der EU dennoch gute Karten.
Da wäre zunächst der sog. EU-Normzyklus, welcher von den Herstellern angegeben wird. Auf diesen berief sich beispielsweise das Oberlandesgericht Hamm im Jahr 2013, als es urteilte, dass die in den Prospekten angegebenen Verbrauchswerte zumindest reproduzierbar sein müssen. Zuvor hatte der Käufer eines Kraftfahrzeugs wegen des zu hohen Verbrauchs seines Fahrzeugs geklagt. Der Hersteller hatte als Gegenargument hervorgebracht, dass die individuelle Fahrweise bei den Verbrauchswerten eine wichtige Rolle spiele. Ein Sachverständiger ermittelte jedoch deutliche Abweichungen zwischen versprochenem und tatsächlichem Verbrauch des Fahrzeugs, die für die Urteilsfindung des Gerichts letzten Endes ausschlaggebend waren. (Aktenzeichen I-28 U 94/12 vom 7. Februar 2013)
Das Oberlandesgericht Hamm sah darin eine erhebliche Pflichtverletzung, die den Käufer zum
Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt. Diese liegt nun immer dann vor, wenn die Verbrauchswerte
eines Fahrzeugs unter den Bedingungen des Typengenehmigungsverfahrens um mehr als 10 Prozent überschritten werden. Die Berechtigung zum Rücktritt kann jedoch nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Kunde dem Hersteller zuvor die Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben hat. Ist die Nachbesserung wiederum unmöglich, kann der Kunde vom Kaufvertrag zurücktreten.
Bei einem Rücktritt sollten Sie davon ausgehen, dass man Ihnen die Gebrauchsvorteile des Fahrzeugs anrechnen wird. Sie sollte also zunächst einige taktische Überlegungen anstellen und dabei auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, den Kaufpreis im Nachhinein zu mindern, statt einen Rücktritt vom Kaufvertrag einzuleiten. Wer sich im Hinblick auf seine Handlungsoptionen nicht sicher ist, findet bei uns Hilfe, sich die Möglichkeiten genau erläutern zu lassen und gegebenenfalls mit uns die eigenen Ansprüche durchzusetzen.