Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) dürfte einigen Leasingnehmern zunächst jegliche Hoffnung auf finanzielle Entschädigungen im Rahmen des Abgasskandals genommen haben. Denn Schadensersatzansprüche bestünden demnach nicht. Doch ist dies mit Vorsicht zu genießen. Für welche Fälle durchaus noch Hoffnung besteht und warum, lesen Sie hier!
Der Abgasskandal schlägt weiterhin große Wellen. Fahrzeugbesitzer, die in der Vergangenheit ein durch den Skandal betroffenes Auto käuflich erworben haben, können sich mittlerweile so gut wie sicher sein, dass ihnen der Schadensersatz juristisch zusteht.
Anders sehe das jedoch laut BGH-Urteil für Leasingfahrzeuge aus – zumindest für Verträge im Rahmen des Kilometerleasings. In einem Beispielfall entschied der BGH gegen das Anliegen eines klagenden Leasingnehmers und sprach ihm damit jeglichen Anspruch auf Schadensersatz ab. Seine Leasingraten erhält der Kläger damit nicht zurück.
Grund für diese Entscheidung des BGH ist, dass es sich beim Kilometerleasing um eine grundsätzlich andere Investitionsentscheidung handele als bei einem Autokauf. Denn im Rahmen eines Leasingvertrages tritt der Verbraucher jegliches wirtschaftliches (Kalkulations-)risiko an den Leasinggeber ab, weshalb ihm im Gegenzug keine Schadensersatzansprüche zukommen. Der anzurechnende Nutzungsvorteil würde dann den Leasingzahlungen entsprechen.
Da jedoch der Leasingnehmer diverse Risiken für das Leasingobjekt übernimmt, zum Beispiel indem er die Kosten für Steuer, Versicherung, Instandhaltung, Wartung, Tanken und Säuberung übernimmt, kann durchaus für das Bestehen von Schadensersatzansprüchen argumentiert werden.
Zudem lässt sich dieses Urteil nicht pauschal auf alle Leasingverträge anwenden. Stattdessen sollte man klar differenzieren, um welche Art des Leasings es sich handelt. Das klassische Kilometerleasing basiert auf einer genau definierten Vertragslaufzeit inklusive einer vertraglich festgelegten Anzahl an Kilometern. Im Rahmen eines Full-Service-Leasings hingegen treten diverse weitere Optionen neben das eigentlich klassische Leasing.
So können Full-Service-Leasingnehmer ihren Vertrag noch im Nachhinein anpassen oder umstufen lassen (zum Beispiel in Bezug auf die Laufzeit). Auch kann der Leasingnehmer das Fahrzeug im Laufe der Vertragslaufzeit noch käuflich erwerben.
Häufig treten solche Verträge in der Praxis in Verbindung mit einem Rahmenvertrag über eine Fahrzeugflotte auf. Der Vorteil: Fahrzeuge können so flexibler ausgetauscht oder ebenfalls gekauft werden.
Auch bezüglich des Leasingerlasses des Bundesfinanzministeriums finden Differenzierungen zwischen dem Kilometerleasing einerseits und dem Full-Service-Leasing andererseits statt. Dies impliziert erneut: Das BGH-Urteil kann kaum auf alle Leasingarten gleichermaßen Anwendung finden.
Weiterhin gibt es eine Leasingart, bei welcher der Leasingnehmer das gesamte wirtschaftliche Risiko trägt: Das Modell des Finanzierungsleasings. Für diesen Fall wird noch eindeutiger, dass das BGH-Urteil kaum Konsequenzen für alle Leasingverträge haben dürfte. Denn auch hier kann hinsichtlich eines anderen Investitionsgedanken argumentiert werden: Zumindest aus Sicht des Leasinggebers steht nicht die reine Gebrauchsüberlassung im Vordergrund, sondern der Finanzierungsgedanke.
So ist beim Finanzierungsleasing die Vollamortisation der primäre Zweck des Vertrags. Dies beinhaltet das Abdecken der gesamten Investitionskosten seitens des Leasinggebers einschließlich der Zins- und Verwaltungsaufwendungen. Nach diesem Finanzierungsmodell stehen dem Leasingnehmer durchaus Schadensersatzansprüche zu.
Im Kern des aktuellen BGH-Urteils steckt die grundsätzliche Frage danach, wem das Risiko einer Mangelhaftigkeit der Leasingsache anheftet. Entspricht ein Fahrzeug, das im vorliegenden Fall die Leasingsache darstellt, nicht den Ansprüchen, die vertraglich festgelegt sind, liegt eine Mangelhaftigkeit vor. Da von einer illegalen Abschalteinrichtung – der Kern des Abgasskandals – in Leasingverträgen keine Rede gewesen sein dürfte, entsprächen die tatsächlichen Begebenheiten der Leasingsache nicht den vertraglich festgelegten Rahmenbedingungen. Zwar übernimmt der Leasingnehmer beim Abschluss eines Leasingvertrages grundsätzlich das Risiko der Mangelhaftigkeit sowie sämtliche Pflichten für das Leasingobjekt. Doch kann davon ausgegangen werden, dass der Leasingnehmer, hätte er bezüglich der Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs aufgrund des Einsatzes der Manipulationssoftware Bescheid gewusst, den Vertrag so nicht gewollt.
Grundsätzlich argumentiert der BGH, dass genau an dieser Stelle bereits eine Schädigung vorliegt: Der Schaden entsteht schon durch den Abschluss eines ungewollten Vertrages und liegt nicht erst durch den tatsächlichen Minderwert des Fahrzeugs vor (BGH, Urteil vom 30.072020 – VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1968 Rn. 46). Folglich liegt hier ein Schaden auch des Leasingnehmers vor.
Bei der Auswahl eines Fahrzeuges hätten bei einem Flottengeschäft außerdem ökologische Erwägungen eine Rolle spielen können. Durch die Abgasmanipulation werden diese Ansprüche allerdings gegebenenfalls nicht in dem Maße erfüllt, wie es zuvor vertraglich und vor Bekanntwerden des Abgasskandals versprochen wurde. Bei Offenlegung der tatsächlich höheren Werte, wären diese Autos eventuell also nicht in die Flotte aufgenommen worden, der Leasingnehmer hätte den Leasingvertrag in der Art nicht gewollt. So würde auch hier dem Leasingnehmer ein Schaden vorliegen.
Auch ist durch das Bekanntwerden des Abgasskandals die Forderung nach anderen Leasingraten begründbar. Der Leasingpreis entsteht grundsätzlich durch den Anschaffungspreis des Leasinggutes, also des Fahrzeuges. Dieser wäre wesentlich geringer gewesen, wäre der Abgasskandal bereits bekannt gewesen. Somit müsste sich dies auch auf die Leasingraten auswirken.
Auch die weiteren bis hierhin aufgeführten Punkte zeigen deutlich: Der objektive Leasingwert eines Fahrzeuges muss durch die Verwendung einer Manipulationssoftware bei den vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugen geringer ausfallen als der zuvor vereinbarte Leasingpreis. Jedoch wurden in dem konkreten vor dem BGH verhandelten Fall diverse Argumentationsstränge nicht aufgeführt, sodass der BGH im Rahmen des Urteils vom 16. September keine Anhaltspunkte für einen Minderwert sah.
Dem Leasingnehmer bleibt jedoch in jedem Fall durch die manipulierten Abgaswerte ein Schaden für seine Leasingflotte. Letztendlich kann das BGH-Urteil dementsprechend aktuell nur für Kilometerleasing gelten, nicht aber für das flottentypische Full-Service-Leasing oder auch das Finanzierungsleasing.
Sollten Sie sich selbst als Leasingnehmer durch den Abgasskandal betroffen sehen, wenden Sie sich an die Kanzlei Mingers. Wir beraten Sie gerne!
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