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Das Urteil ist gefallen: Nach fünf Jahren verurteilt das Oberlandesgericht München Beate Zschäpe im NSU-Prozess zu lebenslanger Haft. Die Begründung: Zehnfacher Mord und eine besondere Schwere der Schuld. Einer der längsten und aufwendigsten Indizien-Prozesse der deutschen Rechtsgeschichte nimmt damit ein Ende. Eine Sicherheitsverwahrung wurde jedoch nicht verhängt.
Zschäpe agierte fast 14 Jahre lang mit ihren Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt aus dem Untergrund. Ihre Komplizen verübten in dieser Zeit zahlreiche Morde und Attentate. Beide Männer erschossen sich nach einem gescheiterten Banküberfall am 04.11.2011 selbst. Das Gericht hat nach wie vor keine eindeutigen Beweise, dass Zschäpe sich an einem der Tatorte aufhielt, jedoch schreibt dieses ihr eine maßgebende Rolle dabei zu, dass das Trio lange getarnt agieren konnte. Ihr wird Mitwissen, Mitverantwortung und die Steuerung der Ereignisse zur Last gelegt.
Die Anklage vertrat die Position, dass Zschäpe an allen Taten des NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) beteiligt gewesen sein soll. Darunter fallen neun Morde an Gewerbetreibenden, die türkischer und griechischer Abstammung waren, sowie der Mord an einer deutschen Polizistin. Auch zwei Bombenanschläge, bei dem mehrere Menschen verletzt wurden, sowie 15 Raubüberfälle fallen in den Verantwortungsbereich der NSU. Schlussendlich wurde daraufhin die Fluchtwohnung von Beate Zschäpe von ihr selbst in Brand gesetzt.
Die Forderung der Bundesanwaltschaft: Lebenslängliche Haft, eine Feststellung der besonderen Schwere der Schuld, sowie die Festlegung einer Sicherheitsverwahrung im Anschluss.
Beate Zschäpe hat insgesamt zwei Verteidiger-Teams, die sie vor Gericht verteten. Ihrer Auffassung nach könnte Zschäpe nur wegen Brandstiftung der Fluchtwohnung belangt werden. Den Verteidigern zufolge können Zschäpe weder Mittäterschaft, noch Morde oder Attentate zur Last gelegt werden.
Die Forderung der Verteidigung: Ursprünglich forderten sie den Freispruch von Morden und Attentaten, da die Strafe für Brandstiftung bereits durch die Untersuchungshaft abgegolten wäre. Am Ende verlangten die Anwälte dann eine Haftstrafe unter zehn Jahren.
Die Verteidigung argumentierte immer mit der oben genannten Tatsache, dass es an Beweisen mangelt, die nachweisen, dass Beate Zschäpe am Tatort war. Rechtlich gesehen, kann jedoch auch derjenige zum Mittäter werden, der ein hohes Maß an Vorbereitungshandlungen getroffen hat. Sofern Zschäpe also nicht nachweislich am Tatort war, muss sie im Vorhinein enorme Vorbereitungen getroffen haben, die maßgeblich zur Steuerung und Durchführung der Taten beigetragen haben. Ein Mitwirken am Kerngeschehen ist für das Feststellen einer Mittäterschaft nicht notwendig.
„Ein Minus an der Tathandlung kann durch ein Plus an gewichtiger Vorbereitungshandlung ausgeglichen werden. Vergleicht man die Entscheidung der Richter mit dem Inhalt der aktuell gehypten Netflix-Serie „Haus des Geldes“, so kann man sagen, dass auch hier der sogenannte „Professor“ Mittäter ist und keinesfalls mit einem Freispruch davon kommen würde.“ – Markus Mingers, Rechtsanwalt
Rechtlich gesehen war Beate Zschäpe demnach nicht nur Gehilfin, sondern Mittäterin, da von ihr eine gewichtige Steuerung und Führung der Morde und Attentate ausging, wonach der Strafmaß der lebenslangen Freiheitsstrafe, sowie die Feststellung der besonderen Schwere an Schuld, gerechtfertigt ist.
Bitterer Beigeschmack des nun gesprochenen Urteils bleibt nun, dass nach wie vor nicht klar ist, wie groß die Terrorgruppe NSU tatsächlich gewesen ist, sowie die teilweise von Mängeln behaftete Arbeit von Polizei und Verfassungsschutz.
Es ist davon auszugehen, dass die nun erfolgte Urteilsverkündung große Wellen schlagen wird, sei es in der Literatur, als auch in der Filmgeschichte. Das Urteil im NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe stellt eines der wichtigsten Urteile der deutsch Justiz-Nachkriegsgeschichte dar.
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