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Diskriminierung oder ein besonderes Marketing-Konzept? Manche Hotels beherbergen nur erwachsene Gäste und weigern sich, Kinder und Jugendliche dort übernachten zu lassen. Ebenso stellen Kinder gerne Eltern und Bedienungen im Restaurant vor eine harte Belastungsprobe. Andere Gäste fühlen sich häufig durch das Geschrei und Herumwuseln gestört. Daher greifen immer mehr Betreiber zu strengen Mitteln: Kinder haben keinen Zutritt mehr! Doch sind solche „kinderfreien Zonen“ eigentlich rechtlich erlaubt?
Immer häufiger schließen Restaurant- oder Café-Betreiber in der Schweiz, in Deutschland oder in den USA Kleinkinder unter einem bestimmten Alter aus. Sie bieten weder Kindergerichte noch Kinderstühle an.
Ein Schlag ins Gesicht für alle Eltern. Keine Überraschung also, dass solche Aussagen z.B. auf Facebook in regelmäßigen Abständen einen Shitstorm verursachen. „Diskriminierung“ oder „familienunfreundlich“ heißt es dann, genauso wie „in anderen Ländern gäbe es das nicht“.
Für Personen ohne Kinder eröffnet sich somit jedoch ein kleines Paradies. Sogar Eltern müssen zugeben, dass es nach einem stressigen Tag nicht angenehm ist, wenn ihr Kind schreit und wütet, weil es im Restaurant keine Pommes essen darf. Umso störender, wenn es nicht das eigene, sondern das Kind am Nachbartisch ist. Andere Gäste mit genervten Blicken zu sehen, die über den „unkontrollierbaren“ Nachwuchs und die „lasche Erziehung“ urteilen, ist für viele Eltern der absolute Horror.
„Kinder sind unser höchstes Gut. Familien sollten in unserem Land einen hohen Stellenwert haben und besser behandelt werden. Wir fordern mehr Toleranz!“ Das würden bestimmt viele Eltern sagen. Schließlich sollen sie ebenso ausgehen dürfen und den Herd am Abend kalt lassen. Doch wer Toleranz fordert, muss auch tolerant gegenüber der anderen Seite sein. Denn wenn es anderen Gästen nicht möglich ist, ein romantisches Candle-Light-Dinner zu genießen, darf man sich über unangenehme Kommentare nicht wundern.
Trotzdem darf man eines nicht vergessen! Vor allem Besuche in öffentlichen Räumen, z.B. in Restaurants und Lokalitäten mit gemischtem Publikum und regem Betrieb, sind unausweichlich für eine gute Erziehung von Kindern. Regeln und Normen außerhalb der heimischen vier Wände kennenzulernen gilt als notwendig, damit Kinder lernen, sich in der Öffentlichkeit zu benehmen. Auch klare Grenzen aufzuzeigen geht nur, wenn Eltern ihre Kinder in ihr alltägliches Leben integrieren. Das heißt: Kind muss mit – zu (erwachsenen) Freunden, ins Museum, ins Flugzeug, in den Supermarkt und eben auch ins schicke Restaurant. Letztendlich hilft es keinem, Kinder aus der Gesellschaft auszugrenzen. Sie werden nämlich irgendwann erwachsen und können sich Mitmenschen immer noch nicht vernünftig gegenüber verhalten.
Immer mehr Hotels und Hotelketten organisieren ihren Betrieb nach dem Marketingkonzept der kinderfreien Hotels. Der britische Touristikkonzern Thomas Cook kündigte an, weltweit seine Adults Only-Angebote ausweiten zu wollen.
Erleben wir gerade einen Trend hin zu mehr Adults Only-Angeboten? Und damit auch zu einer immer stärkeren Trennung von Erwachsenen- und Kinderwelt? Und ist der Ausschluss von Kindern und Jugendlichen aus Hotels eigentlich rechtlich erlaubt?
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes stuft Hotelangebote mit einem Mindestalter von 16 Jahren als möglichen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ein. Nach diesem Regelwerk, das auch als Antidiskriminierungsgesetz bekannt ist, darf niemand aufgrund seines Geschlechts, seiner Religion oder seines Alters benachteiligt werden.
Um Kinder aus Hotels auszuschließen, genügt es nach Ansicht der Antidiskriminierungsstelle nicht, auf deren möglichen Lärm zu verweisen. Doch vor allem stört die Antidiskriminierungsstelle, dass auch die Eltern der Kinder, die das Hotel als Familie besuchen wollten, benachteiligt werden.
Im Jahr 2011 hatte eine Familie gegen ein kinderfreies Hotel geklagt und Schadensersatz verlangt. Sie sah im Ausschluss ihrer Kinder eine Verletzung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.
Dieser Argumentation folgten die Richter am Landgericht Hannover jedoch nicht. Sie legten in ihrem 2013 ergangenen Urteil fest, dass es einem Hotelbetreiber erlaubt sei, sich seine Gäste auszusuchen. Das sei Teil seiner unternehmerischen Vertragsfreiheit. Kinder hätten ein „gänzlich anderes Ruhe- und Erholungsbedürfnis“ als Erwachsene – ein sachlicher Grund, der zu keiner Altersdiskriminierung führe.
Ähnlich argumentiert auch der Rechtsanwalt Paul Degott vom Deutschen Anwaltverein (DAV): „Der Hotelier hat das Hausrecht. Daher kann er verfügen, dass dort keine Kinder oder Jugendlichen unter 16 oder 18 Jahre übernachten dürfen.“ Adults-Only-Angebote seien eine besondere Form der Spezialisierung von Hotels, allein der Betreiber entscheide über das Konzept seines Hauses.
Degott verweist ebenso darauf, dass es keinen Kontrahierungszwang zwischen einem Hotel und einem Gast gibt. Im Privatrecht hat also niemand einen Anspruch darauf, mit einem Unternehmen wie einem Hotel einen Vertrag abzuschließen.
Vor einiger Zeit wurde ein Café dafür bekannt, dass es Eltern mit Kinderwagen daran hinderte, es zu betreten. Ausgerechnet im kinderreichen Berliner Bezirk Prenzlauer Berg! Außerdem verwies der Betreiber eine stillende Mutter aus seinen Räumen. Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich 2015 im Bordrestaurant eines ICEs: Das Personal verbot einer Mutter, ihre Baby zu stillen.
Inzwischen hat die abgewiesene Mutter aus dem Prenzlauer Berg eine Online-Petition gestartet. Darüber will sie ein Gesetz initiieren, dass Müttern das Stillen in der Öffentlichkeit erlaubt. Ebenso solle das Gesetz verbieten, stillende Mütter zu diskriminieren. Rund 25.000 Menschen haben die Petition bislang unterzeichnet.
„Grundsätzlich hat ein Café-Betreiber das Hausrecht“, erklärt der Bochumer Rechtsanwalt Jürgen Widder von der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) die juristischen Regeln. „Dieses Recht erlaubt ihm, sich seine Gäste auszusuchen.“
Cafés oder Clubs dürfen allerdings niemanden aufgrund seiner Herkunft oder Hautfarbe abweisen. Denn dies wäre ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.
„Allerdings ist fraglich, ob das Hinausweisen einer stillenden Mutter ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot darstellt“, sagt Rechtsanwalt Jürgen Widder. „Denn die Frau wird nicht wegen ihres Geschlechts verwiesen, es ist also keine geschlechtsspezifische Diskriminierung. Die Frau wird des Cafés verwiesen, weil sie sich in einer für viele unpassenden Weise in einem öffentlichen Raum entblößt.“
Beim diesem Thema prallen tatsächlich viele gegensätzliche Interessen aufeinander. Auf der einen Seite das Interesse von Müttern, die nach der Geburt ihres Babys weiter am gesellschaftlichen Leben teilnehmen wollen. Auf der anderen Seite das Interesse derjenigen, die sich durch eine solch öffentlich gezeigte sehr intime Handlung gestört fühlen.
Diesen Konflikt könnten pragmatische Lösungen schlichten. Denkbar wären spezielle Still-Ecken in Cafés oder Restaurants, in denen Mütter, geschützt vor den Blicken anderer, stillen können.
Bei weiteren Fragen zu diesem Thema stehen wir Ihnen gerne jederzeit zur Verfügung. Erreichen können Sie uns telefonisch unter der Nummer 02461-8081 und per Mail unter info@mingers-kreuzer.de. Täglich finden Sie weitere aktuelle und interessante News auch auf unserem Blog.
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