Nachdem zwei Gerichte ein Schmähgedicht von Jan Böhmermann über den türkischen Präsidenten Erdogan teils verboten haben, hatte der Satiriker Verfassungsbeschwerde erhoben. Nun hat das BVerfG den Fall abgewiesen – doch ohne Begründung. Rechtsanwalt Markus Mingers nimmt im Folgenden zum Beschluss Stellung!
Im Jahr 2016 hat der Satiriker und TV-Moderator Jan Böhmermann ein Gedicht „Schmähkritik“ über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan verfasst. Er hatte das Gedicht in seiner TV-Satireshow „Neo Magazin Royale“ im öffentlich-rechtlichen Sender ZDFneo vorgetragen. Darin wurden Erdogan sexuelle Handlungen wie Pädophilie und Sodomie unterstellt. Das Gedicht führte zu einem diplomatischen Eklat zwischen Deutschland und Türkei. Es begann eine Debatte darüber, was Satire darf und was nicht.
Erdogan wehrte sich gerichtlich gegen Böhmermann. Dabei wurde die verfassungsrechtlich geschützte Kunst- und Meinungsfreiheit gegen das Persönlichkeitsrecht abgewogen. Nach Urteilen von Hamburger Gerichten in den vergangenen Jahren wurden dann große Teile des Gedichts verboten. Die betreffenden Passagen enthielten demnach schwere Herabsetzungen, für die es in Person und Verhalten des Präsidenten keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte gebe.
Im Jahr 2019 zog Jan Böhmermann vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG).
„Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.“ So hieß es im Beschluss des BVerfG – ohne weitere Begründung. Die Entscheidung ist unanfechtbar. „Dass das BVerfG den Fall von Jan Böhmermann erst als bedeutsam einstuft und dann ohne Begründung nicht annimmt, ist enttäuschend“, so Rechtsanwalt Markus Mingers. „Am 10. Juni 2021 bekamen fünf Organisationen Post: das ZDF, die Bundesrechtsanwaltskammer, der Deutsche Anwaltverein, der Deutsche-Journalisten-Verband und die Gewerkschaft ver.di. Darin bat das BVerfG um Stellungnahme zum Fall Böhmermann.“
„Dieser besondere Aufwand zeigt für gewöhnlich, dass am Fall „etwas dran“ ist und ihn das BVerfG als diskussionswürdig einstuft“, merkt Mingers an. „Die Kammer beschloss dann aber das zu tun, was eigentlich nach Sinn und Zweck des Gesetzes für ganz besonders klare Fälle gedacht ist: nach § 93d Absatz 1 Satz 3 des Bundesverfassungsgerichtsgesetz die Verfassungsbeschwerde nicht anzunehmen und auf eine Begründung zu verzichten.“
„Dass das BVerfG nun keine Begründung geliefert hat, könnte daran liegen, dass sich die drei Kammermitglieder selbst nicht einig waren“, so die Einschätzung von Rechtsanwalt Markus Mingers. „Der Sache nach schrie der Fall Böhmermann nach einer Entscheidung des BVerfG. Die Richterinnen und Richter haben hier die Chance verpasst nach langer Zeit wieder grundlegende Aussagen zur Kunstfreiheit zu treffen.“
„Anstatt zu den offensichtlichen diskussionswürdigen verfassungsrechtlichen Fragen Stellung zu beziehen und sich dadurch auch Kritik auszusetzen, durch etwaige Sondervoten auch Uneinigkeit transparent zu machen, duckt sich das BVerfG weg und zweckentfremdet eine Norm, die für die Erledigung einfach gelagerter Fälle geschaffen wurde, um sich eine Begründung zu ersparen. Nichts zu sagen – für das Gericht die einfachste, für die Grundrechte die schlechteste Lösung“, resümiert Mingers.
Für weitere Fragen wenden Sie sich an die Mingers. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Wir beraten Sie gerne! Erreichen können Sie uns unter der Telefonnummer 02461/ 8081, dem Kontaktformular auf unserer Website oder Sie schreiben uns eine E-mail an Office@mingers.law.
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