Der Bundesgerichtshof (BGH) hat gestern ein bedeutendes Urteil zu Gunsten von Sparern gesprochen: Banken und Sparkassen dürfen in Sparverträgen die Zinsen nur noch nach klaren Kriterien anpassen. Rechtsanwältin Sabine Charpentier geht näher darauf ein, warum im vorliegenden Fall vor dem BGH die Zinsanpassungsklausel der Sparkasse Leipzig unwirksam ist und warum Sparer auf Nachzahlungen hoffen können!
In dem konkreten Fall vor dem BGH hatte die Verbraucherzentrale Sachsen über eine Musterfeststellungsklage gegen die Sparkasse Leipzig geklagt. Sie wirft der Beklagten vor, ihre Kunden über Jahre hinweg zu wenig Zinsen in Prämiensparverträgen gezahlt zu haben. Der BGH hat sich der Ansicht des Klägers angeschlossen und die Zinsanpassungsklausel der Sparkasse für unwirksam erklärt. „Der Sparzins ist aufgrund der Zinsanpassungsklausel zu niedrig“, erläutert Rechtsanwältin Sabine Charpentier. „Die Klausel verstößt gegen geltendes Recht. Die Änderungen, die dadurch vorgenommen wurden, sind dementsprechend unwirksam.“
„Es geht vorliegend um langfristige Sparverträge“, führt Rechtsanwältin Charpentier weiter aus. „In einer darin enthaltenen Klausel wird ein variabler Zinssatz festlegt. Darin steht, dass, soweit nichts anderes vereinbart, die Sparkasse dem Kunden den von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum bekannt gegebenen Zinssatz vergüte. Unabhängig von einer Kündigungsfrist soll für bestehende Spareinlagen eine Änderung des Zinssatzes mit der Änderung des Aushangs in Kraft treten.“ Laut BGH weist die Zinsanpassungsklausel nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen auf. Dies sei unzulässig.
Die Regelungslücke, die durch die Unwirksamkeit der Klausel entstanden ist, gilt nun im Wege der Auslegung zu füllen. Der BGH hat keinen neuen Referenzzins festgelegt, an dem sich die Sparkasse orientieren muss. Er stellt aber klar, dass bei langfristigen Sparverträgen der Referenzzins auf langfristige Anlagen ausgerichtet sein muss.
„Der BGH hat bezüglich der Entscheidung über einen maßgebenden Referenzzinssatz an das Oberlandesgericht (OLG) Dresden zurückverwiesen“, sagt Rechtsanwältin Sabine Charpentier. „Dabei sind die Zinsanpassungen nach der gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung in einem monatlichen Rhythmus vorzunehmen. Grund dafür ist, dass der Referenzzinssatz, der für langfristige Spareinlagen in Betracht kommt, in der von der Deutschen Bundesbank erhobenen Zinsstatistik monatlich veröffentlicht wird. Die Sparkasse muss die Zinsanpassungen somit monatlich und unter Beibehaltung des anfänglichen relativen Abstands des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz vornehmen.“ 1300 Verbraucher, die sich der Klage der Verbraucherzentrale Sachsen angeschlossen haben, hoffen nun darauf, dass das OLG Dresden einen für sie sehr viel günstigeren Zins festlegt.
Das BGH-Urteil ist ein großer Erfolg für Verbraucher. Es gilt zwar unmittelbar nur für die Sparkasse Leipzig. Doch da viele Sparkassen und Banken ähnliche Sparverträge angeboten haben, hat es Signalwirkung für die gesamte Branche. Damit dürften Sparern Nachzahlungen zustehen. „Die Banken müssten jetzt die entsprechend zu wenig geleisteten Beträge an die Kunden ausgleichen. Damit die Geldhäuser jedoch tatsächlich Zinsen zurückzahlen, sollte die Finanzaufsicht BaFin weiteren Druck ausüben. Aber wie wir das kennen, wird das wohl nicht oder wenn überhaupt sehr verzögert passieren“, befürchtet Rechtsanwältin Charpentier.
Nach Einschätzung von Sabine Charpentier sind dennoch wohl viele Zinssenkungen der letzten Jahre unwirksam und können angegriffen werden: „Sofern in den einzelnen Sparverträgen individuelle Vereinbarungen vorliegen, ist hier ebenfalls eine ergänzende Vertragsauslegung anwendbar – auch in einem Musterfeststellungsverfahren. Allerdings entfaltet das Musterfeststellungsurteil keine Bindungswirkung für andere Kläger.“
Es ist bereits das zweite BGH-Urteil innerhalb kurzer Zeit, das Banken und Sparkassen letztlich viel Geld kosten könnte. Laut einer Entscheidung vom vergangenen April sind die jüngsten Gebührenerhöhungen vieler Geldhäuser unwirksam. Kunden müssen den aktuellen AGB und Preiserhebungen nun ausdrücklich zustimmen. Die zuvor stillschweigende Zustimmung bezüglich entsprechender Änderungen greift nicht mehr. „Der BGH ist damit in einer Linie mit dem Urteil über die Bankgebühren“, betont Rechtsanwältin Sabine Charpentier.
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