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Als Reaktion auf das Video „Die Zerstörung der CDU“ des Youtubers Rezo und der Unterstützung von über 70 weiteren YouTubern forderte CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) eine Diskussion über Regeln für politische „Meinungsmache“ im Internet in Wahlkampfzeiten. Sie verglich das Unterstützungs-Video der 70 YouTuber mit Zeitungen, die nicht auch einfach zum Boykott von Parteien aufrufen würden. Hierbei drängt sich eine fundamentale Frage auf: Was sind die Regeln des analogen Bereichs und welche gelten für den digitalen Bereich?
Die CDU verliert deutlich an Wählerstimmen – dies wurde erst letzte Woche bei der Europawahl nur allzu deutlich. Insbesondere bei den jüngeren Wählern scheinen viele Stimmen verloren gegangen zu sein. Dieses unbefriedigende Ergebnis lässt sich auf mehrere Punkte zurückführen.
Neben inhaltlichen Versäumnissen, wie etwa zum Thema Klimapolitik, liegt ein weiteres Problem in der eigenen Kommunikation, mit der das jüngere Publikum verprellt wird. Das zeigte sich bei der Diskussion um Artikel 13 und die Urheberrechtsreform sowie bei der aktuellen Debatte um eine mögliche Regulierung von YouTube vor Wahlen. Die jüngere Generation sieht darin einen Angriff auf die Meinungsfreiheit und fordert den Rücktritt der CDU-Parteichefin.
Die Aussage von AKK ruft überall eine große Diskussion hervor. Wir wollen uns nun aber auf die von ihr aufgeworfenen Fragen bezüglich der Neutralität von Medien sowie gesetzlichen Regelungen zu Wahlempfehlungen konzentrieren.
Es gilt zwischen den Medien zu unterschieden. Öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Rundfunk sowie Presse und YouTube dürfen nicht in einen gemeinsamen Topf geworfen werden.
Die von AKK als Beispiel zitierte Presse ist tatsächlich das von allen Medien am wenigsten regulierte Medium. Sie muss weder parteipolitisch neutral sein, noch ist sie dazu verpflichtet, Parteien bei der Wahlwerbung gleich zu behandeln. Redaktionen sind nach den Pressegesetzen der Bundesländer lediglich dazu angehalten, journalistischen Sorgfaltspflichten und die freiheitliche demokratischen Grundordnung einzuhalten. Darüber hinaus ist Schleichwerbung verboten.
Der Aufruf zum Parteien-Boykott ist gesetzlich aber erlaubt. Persönliche Stellungnahmen und Kommentare sind gerade in Wahlkampfzeiten ausdrücklich erwünscht und von der Rechtsprechung abgesegnet. Der Gesetzgeber sieht die Meinungs- und Pressefreiheit als wichtiges und schützenswertes Grundrecht an. Dadurch wird der „Außenpluralismus“ gefördert.
Der Grund, warum viel große deutsche Zeitungen grundsätzlich überparteiisch und neutral bleiben, ist nicht das Gesetz, sondern die freiwillige Selbstverpflichtung durch den Pressekodex – eine ethische Richtlinie, die sich die Presse selbst auferlegt hat. Das Ansehen der Presse und die Verantwortung, die Öffentlichkeit wahrhaftig, also auch über gegenteilige Auffassungen, zu unterrichten, werden in dieser Richtlinie großgeschrieben.
Im Vergleich zur Presse unterliegen Rundfunkveranstalter hingegen strengeren Regeln in Hinblick auf die politische Berichterstattung. Dies wurde durch den BGH mit dem größeren Einflusses auf die Meinungsbildung begründet. Man spricht hier von Binnenpluralismus.
Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten haben die Verpflichtung bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen. Zwar muss nicht jede einzelne Sendung vollkommen neutral sein. Doch Aufrufe zum Parteien-Boykott sind nicht erlaubt.
Privaten Rundfunkanstalten gibt das Gesetz wiederum mehr Freiräume. Sie sind lediglich Programmgrundsätzen der Landesmediengesetze verpflichtet. Hier müssen diverse politische, weltanschauliche, gesellschaftliche sowie auch von Minderheiten vertretene Auffassungen und Gruppen der Öffentlichkeit angemessen dargestellt werden. Es kommt in erster Linie auf die Vielfalt der Meinungen an.
Ein Boykott gegen die CDU ist mithin erlaubt, sofern sie dennoch in einer Talkshow oder einem anderen Magazin angemessen zu Wort kommt.
Eine spezielle Reglung muss jedoch beachtet werden: das Verbot politische Werbung nach § 7 Abs. 9 RStV. Nur in Wahlkampfzeiten sind sowohl öffentlich-rechtliche, als auch privatrechtliche Sender ausdrücklich dazu verpflichtet, den zum Wahlkampf antretenden Parteien eine gewisse Sendezeit einzuräumen. Dabei wird das Prinzip der abgestuften Chancengleichheit praktiziert, bei der große Volksparteien umfassender thematisiert werden als über Kleinstparteien.
Hierbei drängt sich uns nun die Frage auf: Was genau ist mit dem Verbot politischer Werbung gemeint? Gemeint ist das Verbot, Dritten, wie etwa Parteien, Sendezeit zu ideellen Werbezwecken zu überlassen. Eine Finanzspritze soll einer Partei keinen Vorteil in öffentlicher Meinungsbildung gegenüber den anderen verschaffen. Auf diese Weise wird die Chancengleichheit gewahrt.
Das Internet gilt als der am wenigsten regulierte Bereich in den Medien. Webseiten von Zeitungen oder Sendern haben meist ähnliche Rechten und Pflichten wie ihre Angebote in Print und im linearen Sendebetrieb.
Auch wenn sie keine Rundfunksender im eigentlichen Sinne sind, unterliegen YouTuber den Regelungen aus dem RStV. Als „Rundfunker“ gelten YouTuber nach aktueller Auffassung nur, wenn sie viele und regelmäßige Live-Streams unterhalten. Die meisten YouTube-Kanäle gelten als normale „Telemedien“ und sind an die allgemeinen Regeln der §§ 54-61 des RStV gebunden. Diese Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten müssen den anerkannten journalistischen Grundsätzen entsprechen. Die YouTuber sind dazu angehalten, ihre Videos vor der Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Inhalt, Herkunft, Wahrheit und anderer presseähnlicher Pflichten zu überprüfen.
Fraglich ist, wann ein solches journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot vorliegt. Ein solches Angebot liegt bei einem normalen Online-Medium mit Redaktion vor, in dem professionelle, aber unter bestimmten Umständen auch „semiprofessionelle“ Online-Journalisten, wie etwa Blogger oder YouTuber, schreiben. Zweck muss hierbei sein, an der öffentlichen Meinungsbildung und Diskurs mitzumischen.
YouTubern und Bloggern kommt ein Laienprivileg zu. Es ist gerichtlich anerkannt, dass sie bei ihrer Recherche nicht dieselben Quellen-Anforderungen einhalten müssen wie Profi-Journalisten. Der Gesetzgeber verpflichte sie jedoch als „fernsehähnliche“ Medien die Regelungen der §§ 7 und 8 RStV zu den Werbegrundsätzen, Kennzeichnungspflichten und Sponsoring zu beachten.
Im Einzelnen heißt das, YouTuber dürfen ihre Meinung äußern, zum Boykott aufrufen und konkrete Wahlempfehlungen geben. Nach Auffassung der Landesmedienanstalt ist es lediglich nicht erlaubt, bezahlte Meinungsmache für Parteien zu betreiben.
Wenden Sie sich bei weiteren Fragen an die Kanzlei Mingers & Kreuzer! Wir beraten Sie gerne. Erreichen können Sie uns unter der Telefonnummer 02461/ 8081 oder dem Kontaktformular. Weitere Rechtswege finden Sie in unserem Blog oder YouTube-Channel. Im folgenden aktuellen Video beschäftigt sich Rechtsanwalt Markus Mingers mit der Frage, ob YouTube tatsächlich gelöscht wird.
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