Die finanzielle Lage ist für die meisten Geschäfte des Einzelhandels bundesweit weiterhin angespannt. Zwar werden nun nach und nach Lockerungen des Lockdowns angekündigt, doch bis Geschäfte wieder langfristig öffnen, könnte es noch ein langer Weg sein. Weiterhin also kaum Umsatz in vielen Läden – und doch bleiben die Fixkosten beinahe dieselben, schließlich laufen die Mietkosten weiter wie bisher. Das könnte sich jedoch ändern, denn nun beschäftigt sich der Bundesgerichtshof mit der Thematik. Aus dem Fairnessgedanken müssen Mietminderungen in Erwägung gezogen werden, lautet die Forderung.
Die Geschäfte sind geschlossen, der Vor-Ort-Verkauf derzeit bundesweit komplett eingeschränkt, die finanzielle Not vieler Geschäftsinhaber spitzt sich zu. Und doch laufen die Mietkosten weitestgehend in üblicher Höhe weiter. Eine dramatische Abwärtsspirale für viele mietende Gewerbetreibende – und eine Thematik, die es nun bis vor den Bundesgerichtshof schafft.
Der Streit um Gewerbemietverhältnisse scheint die Richter zu spalten. So haben zwei Oberlandesgerichte (OLG) bereits sehr verschieden über eine mögliche Anpassung der Mietkosten entschieden. In einem Fall ging es zugunsten der Mieterin aus, ein anderer Fall argumentiert für die Seite des Vermieters.
So heißt es einerseits, eine derartige Beeinträchtigung des Geschäfts, wie der coronabedingte Lockdown, sei für niemanden absehbar gewesen, daher sollten sich die daraus hervorgehenden Schäden gerecht auf beide Mietparteien verteilen. Dies könnte zum Beispiel durch die Halbierung der Mietkosten geschehen. Auf der anderen Seite ist von öffentlichen Hilfsgeldern die Rede, die einer Geschäftsschädigung aufgrund des Lockdowns entgegenwirken sollen. Dieses Argument soll die Begründung der Mietminderung aushebeln. Es herrscht Uneinigkeit.
Zur konkreteren Einordnung lohnt sich ein genauerer Blick auf die beiden Fälle. Erst kürzlich fiel eine Entscheidung des OLG Dresden zugunsten der klagenden Mieterin aus. Im Vordergrund steht ein Textilgeschäft der Kette „KiK“, das im Rahmen der Allgemeinverfügungen des Landes während der Lockdowns schließen musste. Nachdem die Kette die Miete für April 2020 daraufhin nicht zahlte, klagte der Vermieter und gewann zunächst in erster Instanz. Nach Berufung hat das OLG Dresden dieses Urteil jedoch aufgehoben und schließlich für die Mieterin entschieden.
Begründen ließe sich dies dadurch, dass es sich im Rahmen der derzeitigen Corona-Situation um eine Störung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrages im Sinne von §313 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) handelt. Der Inhalt dieses Gesetzestextes legt fest, dass Anpassungen eines Vertrages verlangt werden können, wenn sich Umstände, die als Grundlage des Vertrags gelten, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändern, ohne dass dies vorher absehbar war.
In einem ähnlichen Fall hat das OLG Karlsruhe ein anderes Urteil gefällt. Auch hier handelt es sich um ein Mietverhältnis der Handelskette „KiK“ und die Monatsmiete von April 2020. Anders als das OLG Dresden, entschieden die Richter in Karlsruhe jedoch zugunsten des Vermieters.
Die Begründung hier: Trotz Lockdown-bedingter Schließung des Geschäfts können die Mieter die Mieträume weiterhin als Lagerräume oder Verkaufsräume für den Online-Handel nutzen. Es liege, laut OLG Karlsruhe, dementsprechend keine schwerwiegende Veränderung der Mietvertragsgrundlage vor. Schließlich könne der Textilhändler den Rückgang der Umsätze zum Teil durch den Online-Handel kompensieren. Eine Mietminderung sei nur dann zu rechtfertigen, wenn andernfalls die Existenzgrundlage der Mietpartei auf dem Spiel steht oder die wirtschaftliche Weiterentwicklung schwerwiegend beeinträchtigt wird.
Um bezüglich des Konflikts zwischen Mietern und Vermietern zu einer klareren Strategie zu kommen, hat der Bundestag am 17. Dezember 2020 das „Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht“ verabschiedet. Zum Ende des letzten Jahres ist das Gesetz am 31. Dezember 2020 schließlich in Kraft getreten.
Die Gesetzesnovelle erweitert den Artikel 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) um einen neuen §7. Dieser beinhaltet die Möglichkeit der Vertragsanpassung nach schwerwiegenden Veränderungen von Umständen, angelehnt an §313 BGB. Während §313 BGB generell auf Verträge anwendbar ist und darin „schwerwiegende Umstände“ kaum genauer definiert sind, liefert der neue §7 in Artikel 240 EGBGB in Bezug auf §313 BGB eine konkretere Definition für diese Formulierung. Dabei nimmt die Gesetzesnovelle auf Miet- und Pachtrecht Bezug. Im Rahmen von coronabedingter Störung der Geschäftsgrundlage sollen somit künftig einheitlichere Entscheidungen im Konflikt-Fall zwischen Mietern und Vermietern getroffen werden können.
Eine wichtige Rolle für die Gesetzesnovelle spielt also die „Störung der Geschäftsgrundlage“ nach §313 BGB. Sie besagt, dass Vertragsparteien unter bestimmten Voraussetzungen Anpassungen am Vertrag vornehmen können. Diese Anpassung ist dann möglich, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, schwerwiegend geändert haben, ohne dass dies vorhersehbar gewesen wäre. Schließlich besteht die Möglichkeit, dass der Vertrag gegebenenfalls unter diesen veränderten Bedingungen nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen worden wäre.
Die Störung der Geschäftsgrundlage setzt sich dabei aus drei Elementen zusammen: ein reales, ein hypothetisches und ein normatives Element.
Bezogen auf die derzeitige Situation heißt das: Das reale und das hypothetische Element sind durch die Pandemie gegeben, da diese nicht vorhersehbar war. Schwieriger zu beurteilen bleibt lediglich das normative Element. Vor allem die Risikoverteilung, die immer vom Einzelfall abhängig ist, kann je nach Argumentation entschieden werden. Artikel 240 §7 EGBGB regelt diesen Fall jetzt generell und soll zumindest für Verkaufsräume oder Ähnliches eine einheitliche Reglung bieten, sodass der §313 anwendbar ist und Mieter unter den bestimmten Voraussetzungen eine Vertragsänderung fordern können.
Der Mietvertrag zwischen den Parteien besteht im Beispiel von Geschäften, die in der Innenstadt ansässig sind, unter der Bedingung, dass die Mieten hier eventuell aufgrund der guten und hochfrequentiert besuchten Lage teurer ausfallen. Wäre vor Vertragsabschluss absehbar gewesen, dass aufgrund einer Pandemie die Geschäfte geschlossen bleiben müssen, wäre dieser teure Mietpreis nicht mehr zu rechtfertigen. Das Gleichgewicht der Vertragsparteien ist also eindeutig gekippt und der Vertrag wäre eventuell aufgrund dieser schwerwiegenden Veränderung der Umstände, die zur Vertragsgrundlage geworden sind, nicht zustande gekommen. Dies könnte also als Argumentationsgrundlage für die Anpassung des Vertrages unter dem Gesichtspunkt des neuen §7 im Artikel 240 EGBGB dienen.
Der BGH verhandelt schon bald über die beiden zu Anfangs genannten Fälle. Je nachdem, für welche Seite das Urteil ausfällt, könnte dies große Auswirkungen auf schier unzählige weitere Mietverhältnisse haben. Sollten Sie sich selbst von dieser Thematik betroffen sehen, wenden Sie sich gerne an uns. Ob Mieter oder Vermieter – wir beraten Sie gerne und verschaffen Ihnen eine Einschätzung über Ihre individuelle Situation! Wenden Sie sich dafür an uns, unsere Kontaktdaten finden Sie auf unserer Website. Weitere aktuelle Rechtsnews finden Sie außerdem auf unserem Blog und unserem YouTube-Kanal. Zu diesem Thema gibt es dort auch bereits ein Video. Schauen Sie doch mal vorbei!
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