Mitunter kann es auch im juristischen Alltag das ein oder andere Mal Fälle geben, bei denen der Humor im Mittelpunkt steht. Dass sich aber Vertreter dieser Riege selbst zu Komikern aufschwingen, kommt zugegebenermaßen eher selten vor. Deshalb berichten wir von einem kuriosen Fall aus Rostock, bei dem einem Vorsitzenden Richter der Strafkammer am Landgericht Rostock das Lachen inzwischen wohl vergangen sein dürfte.
Gerade im Justizwesen wird nicht umsonst immer wieder auf die Sensibilität der mobilen Welt und damit verbunden auf die Privatsphäre im Internet hingewiesen. Das aber scheint dem besagten Strafrichter nicht weiter gestört zu haben. So war dieser auf seiner öffentlich zugänglichen Facebook-Seite mit einem Bild zu finden. Darauf war der Herr mit einem Bier in der Hand auf der wohl heimischen Terrasse zu sehen –soweit so gut. Brisanz erhält die Ablichtung aber durch die deutlich sichtbare Aufschrift seines T-Shirts: „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA“. In den Kommentaren fand sich dann noch ein weiterer bemerkenswerter Eintrag-und zwar vom Vorsitzenden Richter: „Das ist mein „Wenn du raus kommst, bin ich in Rente-Blick“.
Aufregung erlangten diese Entdeckungen aber erst dann, als der Verteidiger eines Angeklagten versuchte, den Vorsitzenden der großen Strafkammer wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, § 24 StPO. Grundlage dafür sollte die oben genannte Facebook-Präsentation sein. In dem Prozess selber ging es um den Vorwurf des erpresserischen Menschenraubes.
Der betroffene Richter selber wollte dazu keine Stellungnahme abgeben und sich zu seinen privaten Lebensverhältnissen nicht äußern. Im Ergebnis wurden beide Ablehnungsgesuche zurückgewiesen. Nach Ansicht der zuständigen Kammer beträfen die Auftritte bei Facebook nur den persönlichen Lebensbereich und seien ausschließlich humoristisch geprägt. Der dann weiterführende Prozess resultierte für die Angeklagten in einer 8-jährigen und circa 6-jährigen Freiheitsstrafe. Gegen dieses Urteil erhoben die Angeklagten Revision. Im Ergebnis hatte sich also der Bundesgerichtshof mit dem Fall zu befassen.
Im Gegensatz zum Landgericht hat der BGH dem Antrag der Parteien wegen Besorgnis der Befangenheit stattgegeben, § 338 Nr.3 StPO. Zur Begründung führten die obersten Richter den Telos (Sinn und Zweck) von § 24 II StPO an. Danach ist eine Ablehnung dann gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zur Annahme hat, dass der besagte Richter eine innere Haltung annehme, die seine Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit störend beeinflussen kann. Maßstab sei ein vernünftiger beziehungsweise verständiger Angeklagter.
Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt. So würde der Facebook-Auftritt die innere Haltung des Richters eindeutig dokumentieren. Er habe Spaß an der Verhängung von Strafen und leide an Mängeln in Bezug auf die erforderliche Objektivität. Der Internetauftritt sei insgesamt also nicht mit der gebotenen Haltung der Unvoreingenommenheit eines Strafrichters zu vereinbaren.
Letztendlich wurde das Urteil des Landgerichts Rostock vom 22.April 2015 aufgehoben und an das Landgericht Stralsund zurückverwiesen, § 354 II 1 StPO. Diese Zurückverweisung an ein anderes als das ursprüngliche Landgericht ist sehr selten und ein deutlicher Rüffel an das Landgericht Rostock. Inzwischen hat sich sogar die Justizministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern in den Fall eingeschaltet und sich so geäußert: „Es gebietet der Anstand jedes Einzelnen, sich in der Öffentlichkeit angemessen zu präsentieren“. Das gelte für alle Bevölkerungsschichten gleichermaßen.
Der Facebook-Auftritt des Richters ist mittlerweile gelöscht und persönliche Konsequenzen des Richters denkbar.
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