Als leere Versprechen entpuppen sich derzeit die Corona-Soforthilfen für einige Unternehmer – und andere Unternehmer könnten dadurch finanziell gleich doppelt unter der Pandemie leiden. Das Beantragungssystem der Soforthilfen in NRW enthält womöglich haufenweise juristische Fehler – die IG-NRW Soforthilfe möchte sich dagegen wehren. Die Kanzlei Mingers. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH war im Gespräch mit Reiner Hermann, dem Mitbegründer der Interessengemeinschaft.
Gegen die Willkür der Politik lehnt sich die Interessengemeinschaft auf und fordert Gerechtigkeit für die Unternehmer, die finanziell unter der Corona-Pandemie leiden. „Wir wollen nicht mehr, sondern fair“, lautet daher das Motto der IG-NRW Soforthilfe.
Die Umstände der Coronapandemie bescheren vielen Unternehmen immense finanzielle Einbußen. Es gibt daher für betroffene Unternehmen bereits seit dem ersten Lockdown die Möglichkeit, Soforthilfe in Anspruch zu nehmen. Dazu müssen sie einen Antrag ausfüllen und ihren eigenen Förderanspruch berechnen. Den Schlüssel für diese Berechnung legen die Förderbedingungen fest.
Diese Förderbedingungen waren in der Vergangenheit jedoch nicht eindeutig, lautet die Kritik der IG-NRW Soforthilfe. Denn so haben sich die Formulierungen in den Förderrichtlinien mehrmals geändert, insgesamt mindestens 15-mal, gibt Reiner Hermann die Erkenntnisse der Interessengemeinschaft wieder.
Unternehmer füllen selbstständig nach bestem Wissen und Gewissen ihren Förderantrag aus. Grundlage dafür sind die Informationen, die sie den FAQs, also den faktischen Förderbedingungen auf der entsprechenden Homepage, entnehmen können. Werden diese jedoch ständig geändert, entsteht eine gewisse Intransparenz und Uneindeutigkeit dessen, was nun aktuell gilt beziehungsweise wer in welchem Ausmaß Anspruch auf Förderung erheben darf.
Aus gegebenenfalls unwissentlich falsch ausgefüllten Anträgen könnten den Unternehmern nun Rückforderungsbescheide drohen. Das bedeutet, dass sie möglicherweise einen Teil oder auch ihre gesamten Fördersummen zurückzahlen müssen.
Im schlimmsten Fall könnte das bedeuten: Während Unternehmer noch immer allgemein aufgrund der Pandemie auf Fördergelder angewiesen sind und auf die nächste Zahlung warten, müssen sie unter Umständen bereits die Summen aus bereits erfolgten Fördermaßnahmen zurückzahlen. Dies trifft sie finanziell also mit doppelter Wucht.
Doch wenn aufgrund stetiger Änderungen der Bedingungen kaum jemand den Überblick behalten kann über aktuell geltende Richtlinien, inwiefern ist dies rechtmäßig? Dieser Frage geht die Interessengemeinschaft nun nach.
Ziel sei zunächst der fachliche Austausch innerhalb einer Facebook-Gruppe. Diese zählt mittlerweile rund 6.000 Mitglieder. Im nächsten Schritt hat die Interessengemeinschaft begonnen, die juristischen Umstände durch verschiedene Anwaltskanzleien prüfen zu lassen.
„In meiner Denkweise gibt es ein moralisches und ein formales Recht. Und moralisch geht das gar nicht, was da läuft“, sagt Reiner Hermann von der IG und fügt hinzu: „Wie weit das formal möglich ist, muss sich erst noch klären vor den Verwaltungsgerichten.“
So müsste zum Beispiel ein Rückwirkungsverbot gelten, sodass die mehrmaligen Änderungen der Förderbedingungen durchaus juristisch problematisch sind. Auch der Vertrauensschutz könne gebrochen worden sein. Sollten Unternehmer also Rückforderungsbescheide erhalten, wird es vermutlich verschiedene Ansätze geben, dagegen vorzugehen.
Derzeit läuft bereits ein elektronisches Rückmeldeverfahren im Zuge der Beantragung der Fördergelder. Das bedeutet, dass Unternehmer dazu aufgefordert sind, mithilfe eines elektronischen Rückmeldeformulars zu berechnen, wie hoch ihr Anspruch auf Fördermaßnahmen tatsächlich, nach den neuesten Förderbedingungen, im Endeffekt ausfällt.
Dieses Verfahren ruft jedoch ebenfalls Kritik hervor. Problematisch an dem Formular des Landes NRW ist zum Beispiel, dass Unternehmer, die die Soforthilfe in Anspruch nehmen und den Antrag ausfüllen wollen, ihn weder speichern noch ausdrucken können. Infolgedessen gibt es kaum Möglichkeiten, die Angaben durch einen Rechtsanwalt gegenchecken zu lassen – das Ausfüllen des Antrages ist sehr fehleranfällig.
Weiterhin ist es Unternehmern nicht möglich, ihren Umsatzausfall in die Berechnung einfließen zu lassen. Grund dafür ist, dass das Formular dafür schlichtweg keine Zeile zum Ausfüllen vorgibt.
Es liegt also eine Reihe von Schwierigkeiten vor, denen Unternehmer im Rahmen der Beantragung von Förderungsmitteln ausgesetzt sind.
Die Interessengemeinschaft will sich fortan an das Land NRW richten. Dabei will sie klarstellen: Das Formular berechnet die Förderungsbedingungen nicht hinlänglich, außerdem sei das gesamte System durch Ungenauigkeiten der Förderungsbedingungen geprägt.
Derzeit hat die Interessengemeinschaft verschiedene Rechtsanwaltskanzleien beauftragt, das gesamte Soforthilfe-System des Landes NRW auf juristische Grundlagen wie Vertrauensschutz oder Rückwirkungsverbot zu überprüfen.
Zwar dient die Facebook-Gruppe zunächst dem fachlichen Austausch unter den Mitgliedern, doch zudem sammelt die Interessengemeinschaft dort Geld für künftige Musterverfahren. So sollen künftig Gerichte klären, dass die Art und Weise der Ermittlung der Förderbedingungen der Soforthilfen unrechtmäßig ist. An verschiedenen Gerichtsständen in NRW sollen somit Verfahren platziert werden mit Mustermandanten aus den Mitgliederreihen der IG-NRW Soforthilfe.
Ein weiterer Schritt in der Zukunft ist, zu prüfen, ob und inwiefern auch im Zuge der Überbrückungs- und Novemberhilfen Förderbedingungen geändert wurden und somit an dieser Stelle ebenfalls juristische Grundsätze verletzt werden.
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