Eine Renten- oder Kapitallebensversicherung während der regulären Laufzeit rückabwickeln und hierbei keine Einbußen fürchten müssen – genau dies ist seit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2015 möglich (Az. IV ZR 384/14, IV ZR 448/14 und weitere). Im Folgenden haben wir die wichtigsten Fragen zu dieser Entscheidung für Sie zusammengestellt, um Sicherheit bei der Rückabwicklung Ihrer eigenen Versicherungen zu gewinnen.
Worum ging es bei der Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof?
Konkret verhandelt wurden die Klagen zweier Versicherungskunden der AachenMünchener, die im Jahr 2003 jeweils eine fondsgebundene Lebensversicherung abschlossen. Im Jahr 2012 wurden die Verträge gekündigt, wie üblich zahlte die Versicherung den Rückkaufswert an die Betroffenen aus. Ein Jahr später wiesen die Kläger nach einem detaillierten Blick auf die Vertragskonditionen darauf hin,
dass es zu einer fehlerhaften Widerspruchsbelehrung gekommen war und der Widerruf somit noch bis zum heutigen Tage möglich war. Anstelle einer Kündigung sollte es deshalb zur lukrativeren Abwicklung
der Verträge kommen. Der Bundesgerichtshof gab den Klägern in dieser Hinsicht recht.
Womit begründet sich das Urteil des BGH?
In den betroffenen Verträgen wurde lediglich von einer 14-tägigen Widerrufsfrist nach Erhalt des Versicherungsscheins gesprochen, wobei zur Wahrung der Frist eine rechtzeitige Absendung des Widerspruchs vorgeschrieben wurde. Die Richter bemängelten diese Regelung formal gleich in zweifacher Hinsicht. Zum einen wurde nicht auf das schriftliche Einreichen des Widerrufs verwiesen, zum anderen kam es nicht zu einer optischen Hervorhebung dieses Rechts für den Verbraucher.
Für welche Versicherungsverträge hat das Urteil des BGH Auswirkungen?
Betroffen sind Kapitallebensversicherungen und Rentenversicherungen, die zwischen den Jahren 1994 und 2007 nach dem sogenannten Policen-Modell abgeschlossen wurden. In diesem Fall wurden nicht alle relevanten Versicherungsunterlagen beim Vertragsabschluss übergehen, sondern erst später mit dem Versicherungsschein zugestellt. Die angegebene Widerrufsfrist wurde bei Verträgen bis zum Jahr 2004 mit 14 Tagen angegeben, ab diesem Jahr mit 30 Tagen.
Was unterscheidet die Rückabwicklung von einer Kündigung?
Bei einer Rückabwicklung des Versicherungsvertrags wird formal selbst mit vielen Jahren Abstand davon ausgegangen, dass Sie von Ihrem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht haben. Es wird somit ein Status Quo wie vor dem Abschluss des Versicherungsvertrags hergestellt, was beispielsweise die komplette Rückzahlung sämtlicher eingezahlter Versicherungsbeiträge umfasst. Wird die Renten- oder Kapitallebensversicherung stattdessen gekündigt, treten die im Versicherungsvertrag festgehaltenen Regelungen zur Kündigung in Kraft.
Bei der herkömmlichen Kündigung müssen Versicherungsnehmer mit erheblichen Einbußen bezogen auf die bislang eingezahlten Beiträge rechnen. Beispielsweise hält die Versicherung Verwaltungs- und Abschlussgebühren ein, auch Risikobeiträge für den Todesfall oder Abschläge bzgl. des über Jahre gebotenen Versicherungsschutzes sind üblich. Je nach Dotierung des Vertrags kann die Rückabwicklung im Vergleich zur Kündigung einen Vorteil von mehreren Tausend Euro schaffen.
Ist der Widerspruch auch bei bereits gekündigten Verträgen möglich?
Ja, diese Situation entspricht derer der erfolgreichen Kläger vor dem BGH. Selbst wenn die Kündigung bereits Jahre zurückliegt, kann sich ein Blick in die alten Vertragsbedingungen lohnen, um ihm Nachhinein noch von attraktiven Nachzahlungen der Versicherungsgesellschaft zu profitieren.
Wie lässt sich prüfen, ob eine Rückabwicklung infrage kommt?
Da die Formulierungen der Widerrufsbelehrung je nach Versicherungsgesellschaft und Vertrag abweichen, ist die Rückabwicklung nicht pauschal für jeden Versicherungskunden möglich. Im ersten Schritt empfehlen wir, den noch vorhandenen Vertrag überprüfen zu lassen und hierdurch fehlerhafte Formulierungen zu ermitteln. Selbst wenn nicht direkt eine Klage gegen die alte Versicherungsgesellschaft angestrebt wird, können wir mit Ihnen die Situation einschätzen und ein mögliches Vorgehen besprechen.
Sind ein Rechtsanwalt und ein juristischer Prozess unverzichtbar?
Viele Versicherungen werden nicht einfach aufgrund eines nach Jahren eingereichten Widerrufs unverzüglich das Ihnen noch zustehende Geld bedingungslos auszahlen. Bereits jetzt weisen Verbraucherzentralen daraufhin, dass entsprechende Schreiben mit mehr oder weniger fadenscheinigen Gründen von vielen Versicherern abgewiesen wurden. Wurde im Vorfeld jedoch durch einen Fachanwalt festgestellt, dass der vorliegende Vertrag definitiv fehlerhaft ist, lohnt der Weg einer Klage. Mit der professionellen Betreuung durch uns lässt sich Ihr Recht auf Nachzahlungen so vor Gericht durchsetzen.
Werden die Kosten eines solchen Prozesses von der Rechtsschutzversicherung übernommen?
Ja, im Regelfall wird die Rechtsschutzversicherung die gegebene Situation anerkennen und die Kosten für einen Anwalt übernehmen. Falls Sie als Betroffener keinen Rechtsschutz durch eine private Versicherungsgesellschaft genießen, muss die Klage deshalb nicht scheitern. Mit einer vorherigen Prüfung des Vertrags lassen sich die Erfolgsaussichten einfach abschätzen, in vielen Fällen werden Sie bereits außergerichtlich Einigkeit erzielen. Selbst wenn Sie die Anwaltskosten aus privater Tasche bezahlen müssen, kann dies in Relation zu der erwarteten Rückzahlung den deutlich geringeren Kostenfaktor darstellen.
Wie lassen sich die erwirtschafteten Zinsen der Beiträge berechnen?
Jede Versicherung legt die vom Versicherungsnehmer eingezahlten Beiträge konservativ oder fondsgebunden an, um hierdurch Zinsen zu erwirtschaften und das Anlagevermögen zu steigern. Wie der Bundesgerichtshof klarstellt, kann ein Kläger bei der Rückabwicklung nicht einfach einen bestimmten Zinssatz über alle Jahre einfordern und diesen als Rechengrundlage für seine ausstehende Rückzahlung nehmen. Explizit muss die Ertragslage der jeweiligen Versicherung einfließen, d. h. die tatsächliche Verzinsung in der jeweiligen, betriebswirtschaftlichen Situation der Versicherung berücksichtigt werden.
Genau dieser Umstand macht es für betroffene Vertragsnehmer ohne eine professionelle Unterstützung schwierig, eine angemessene Zahlung bei der Rückabwicklung zu erhalten. Auch in dieser Hinsicht empfehlen wir Ihnen, auf die Unterstützung durch einen erfahrenen Anwalt zu vertrauen. So sind wir auf dieses Fachgebiet spezialisiert und sind in der Lage, ein versicherungsmathematisches Gutachten zu erstellen.
Sollte eine Rückabwicklung des Vertrags auf jeden Fall durchgeführt werden?
Nein, für laufende Versicherungsverträge ohne ursprüngliche Kündigungsabsicht sollte das
BGH-Urteil nicht zu einem unüberlegten Widerruf animieren. Hiergegen sprechen gleich mehrere Gründe, in erster Hinsicht die Überlegung, dass die Renten- oder Kapitallebensversicherung zur Deckung einer Versorgungslücke im Alter abgeschlossen wurde und diese nicht so einfach aufzugeben ist.
Außerdem verfügen ältere Lebensversicherungsverträge über attraktive Vorteile, die neue
Verträge nicht mehr umfassen. Hierzu gehört beispielsweise die steuerliche Anrechnung der
Beiträge als Sonderausgaben für Lebensversicherung mit Abschluss vor 2005. Außerdem lagen die Garantiezinsen um die Jahrtausendwende zwischen 4,00 und 3,25 Prozent, während heute nur noch 1,25 Prozent geboten werden. Falls Sie unsicher sind, können wir helfen, um die Sinnhaftigkeit einer Vertragsfortführung zu erkennen, denn wir offerieren eine kostenlose Ersteinschätzung Ihres Vertrages.
Für mehr Informationen zur Rückabwicklung oder dem Widerruf von Lebens- und Rentenversicherungen finden Sie unter Widerruf von Lebensversicherungen.