Bild: Taina Sohlman / shutterstock.com
Es ist das erste Urteil in einem ganzen Komplex von Klagen im LKW Kartell: Das Landgericht Hannover und seine Richter halten viele der in den Klagen gestellten Ansprüche für gerechtfertigt.
Jedoch ist das Urteil sowohl zum Missfallen der Stadt Göttingen, die die Schadensersatzansprüche gestellt hatte, als auch des Konzerns MAN, der beklagt wurde. Deutschlandweit liegen den Gerichten bereits hunderte Klagen vor und es folgen wöchentlich neue. Dieser beispiellose Komplex an Klagen wird wohl noch lange für Trubel sorgen. Das erste Urteil lässt nun Kläger in ganz Deutschland hoffen.
Innerhalb des Zeitraums zwischen 2001 2010 hatte die Stadt Göttingen dreizehn Mal beim großen LKW Hersteller MAN eingekauft. Feuerwehr, Müllabfuhr und andere städtische Institutionen wurden mit Wagen des Unternehmens ausgestattet. Gekostet hat die Stadt Göttingen dies rund 2,3 Millionen Euro. Aufgrund der Bildung dieses sog. LKW Kartell, das in der Vergangenheit bekannt wurde, forderte die Stadt nun in ihrer Klage 335.000 Euro an Schadensersatz.
Zwar stellt das Urteil ein Urteil in einem kleineren der vielen Fälle dar, jedoch wird es wohl trotz dessen große Beachtung finden, bedenkt man einmal, welche zentralen Argumente hier bereits ausgiebig betrachtet wurden. So beschäftigte sich das Landgericht Hannover unter anderem mit den Argumenten der Hersteller, dass den Käufern kein Kartellschaden entstanden wäre. Und falls es doch einen geben sollte, so hätten die Käufer der LKWs diesen ja quasi an ihre eigenen Kunden weitergeleitet.
Es ist nun fast anderthalb Jahre her, dass die großen LKW Hersteller Europas knapp vier Milliarden Euro Bußgeld wegen einer Kartellbildung zahlen mussten. Ins Rollen kam der Fall, weil MAN sich den Behörden stellte, um im weiteren Verlauf als Kronzeugin gehandelt zu werden. Daimler, Iveco/Fiat, Volvo/Renault, DAF und Scania sind die weiteren Beteiligten, wobei nur der zuletzt genannte Konzern noch gerichtlich gegen das Bußgeld vorgeht.
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Allein die bis Ende 2017 eingereichten Klagen schließen 100.000 vom LKW Kartell betroffene Lastwagen ein. Auch große Konzerne wie die Deutsche Bahn hatten geklagt. Der Kampf zwischen Klägern und Herstellern wird vor Gericht also in diesem Jahr in die heiße Phase gehen und könnte den Herstellern unter Umständen noch viel teurer zu stehen kommen, als die bereits gezahlten Bußgelder.
Im Gegensatz zu vielen Klagen ist die vor dem Landgericht Hannover eine recht kleine. Das nun verkündete Grund-, Teil- und Zwischenurteil wird jedoch voraussichtlich nicht so schnell rechtskräftig werden, da es sehr wahrscheinlich ist, dass MAN vor dem Oberlandesgericht Celle Berufung einlegen wird. 7 von 13 Phasen der Beschaffung liegen laut dem Landgericht Hannover nicht in dem Zeitraum, der für den Kartellfall von MAN maßgeblich ist. Lediglich die Käufe von Mullabführautos zwischen 2004 und 2007 für knapp 1,7 Millionen Euro wurden vom LG als gerechtfertigt angesehen. Hier bestehen also von Seiten des Gerichts keine Zweifel darüber, dass der Stadt Göttingen ein Kartellschaden entstanden ist. Wie hoch dieser Schaden ist, ist einer der Hauptbestandteile des Prozesses, was im Regelfall einer der Hauptgründe für die Länge eines solchen Prozesses ist.
An Stelle eines Grundurteils hätte das Gericht auch Beweis erheben können. In den Kaufverträgen zwischen MAN und der Stadt Göttingen gibt es eine Klausel, die besagt, dass dem Käufer 15 Prozent Schadensersatz zusteht, wenn die Beschaffung im Nachhinein als kartellbetroffen anzusehen ist. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn MAN beweisen kann, dass der Schaden geringer ausgefallen sei.
Zu diesem Aspekt hatte der Hersteller MAN dem Landgericht ein Gutachten angeboten. Statt dies anzufordern, zu prüfen und es dann in die Entscheidung über die Höhe einfließen zu lassen, sah das Landgericht jedoch alle strengen Auflagen für ein Grundurteil als erfüllt an und entschied sich gegen das Gutachten.
MAN ist jedoch nach wie vor der Auffassung, dass die kartellbedingt überhöhten Preise – falls es diese denn überhaupt gegeben hat – lediglich an die Kunden der Abnehmer weitergereicht wurden. Eine ganze Stadt Opfer des LKW Kartell! Dies nennt man eine Pass-On-Verteidigung. In vielen Prozessen könnte dies der nötige Trumpf für die Hersteller sein, nicht jedoch im Falle des Streits zwischen der Stadt Göttingen und MAN, da das Gericht dieses Argument ablehnte.
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Laut Auffassung des Konzerns MAN sei der Stadt Göttingen keinerlei Schaden entstanden, da die Bürger die Entsorgungsleistungen sowieso zahlen würden. Die Pass-On-Verteidigung kann jedoch laut LG Hannover nur dann Anwendung finden, wenn der Abnehmer die erworbene Ware an Käufer weiterverkauft, die in einem Markt agieren und in gegenseitiger Konkurrenz zueinander stehen. Im Falle der Beschaffung von Müllabfuhrfahrzeugen ist dies jedoch gerade nicht der Fall, da hier auf Seite des Anbieters kein Konkurrenzverhältnis besteht und auch die Bürger der Stadt nicht in einem Markt der Entsorgungsleistungen agieren.
Diese Entscheidung des Landgerichts Hannover dürfte vielen Kommunen in die Hände spielen, die vor Gericht in ähnlichen Fällen Klage erhoben hatten.
Ein weiteres Argument der Hersteller war, dass nach Auffassung der EU-Kommission lediglich Listenpreise zwischen den Bauern abgesprochen wurden, jedoch in der Praxis kein Kunde den Listenpreis für ein Fahrzeug entrichten würde. Auch hier widerlegte das Gericht das Argument. Die Listenpreise sind in der Realität der Ausgangspunkt für Verhandlungen über den Kaufpreis. Somit hat der Listenpreis indirekten Einfluss auf den Nettopreis eines Fahrzeugs.
Sogar für ein sogenanntes Quotenkartell (Abstimmung über Marktanteile) sind Anscheinsbeweise anerkannt, die zeigen, dass ein Kartell die Preise ansteigen lässt. Sprechen sich Autohersteller also über die Bruttolistenpreise ab, so wird der Wettbewerb also quasi noch wirksamer ausgeschaltet, als durch ein Quotenkartell. Eine harte Entscheidung für die Beklagten.
Für beide Seiten dürfte jedoch das Urteil nicht zufriedenstellend sein. Der Kläger hatte eine Leistungsklage eingereicht, wollte also im Endeffekt bares Geld sehen. Darüber wird jedoch nun in einem separaten Verfahren entschieden, das von vielen verschiedenen Gutachten geprägt sein wird. Während auf der einen Seite der Beklagte ein Gutachten vorlegen wird, dass erklärt, dass dem Kläger keinerlei Schaden entstanden ist, wird der Kläger auf der anderen Seite ein Gutachten vorlegen, das den Schaden möglichst hoch beziffert. In den meisten Fällen überfordert dies die zuständigen Richter, die nun eine Entscheidung treffen sollen. Nun wird ein unabhängiger Gutachter des Gerichts beide Gutachten prüfen, was oftmals lange dauert, wodurch wiederum der Prozess sehr langwierig und schleppend verlaufen wird.
Fazit: Zwar ist das Urteil des Landgerichts Hannover ein Urteil in einem vergleichsweise kleinen Fall, jedoch dürften die behandelten grundlegenden Punkte und die damit verbundene Auffassung des Gerichts für viele weitere Klagen recht interessant sein. Dies lässt viele Kläger im Falle des LKW Kartell auf einen positiven Ausgang hoffen. Wie es nun in Zukunft mit den Hunderten klagen weitergeht, bleibt abzuwarten.
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