Nachdem zumindest die Osterruhe vergangene Woche wieder gekippt wurde, fordert Bundeskanzlerin Angela Merkel weiterhin einen harten Lockdown. Denn die Infektionszahlen steigen – Ausgangssperre, Besuchs- und Kontakverbote sowie Testpflicht für Unternehmen sollen das weitere Ansteigen der Zahlen verhindern. Doch die Verschärfung des Lockdowns ist juristisch mehr als fragwürdig und in der Form wohl kaum umsetzbar. Warum, das erfahren Sie hier!
Kürzlich war Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Interview mit Anne Will. Dass es notwendig wäre, die Notbremse zu ziehen, um die Ausbreitung der Corona-Mutationen zu stoppen und die Inzidenzwerte zu senken, davon war an diesem Abend die Rede. Als mögliche Maßnahmen dafür wurden Ausgangssperren, Kontakt- und Besuchsverbote oder eine Testpflicht in Unternehmen ins Spiel gebracht. Kurz gesagt: Die Lockdown-Maßnahmen sollen nach der Auffassung der Bundeskanzlerin massiv verstärkt werden.
Doch jede der genannten Maßnahmen bringt juristische Schwierigkeiten mit sich. Hier finden Sie einen genauen Überblick darüber, was die Vorschläge juristisch bedeuten würden und warum sie höchst anzweifelbar sind.
Zunächst soll ein Blick auf die mögliche Ausgangssperre geworfen werden. Diese würde bedeuten, dass von 22 bis 5 Uhr niemand sein Haus verlassen darf. Grundsätzlich ist dafür die Ermächtigungsgrundlage mittlerweile gegeben, nämlich im Infektionsschutzgesetz, §28a Abs. 1 Nr. 3. Doch zusätzlich muss bedacht werden, dass dies einen der massivsten Eingriffe in das Grundrecht darstellen würde.
In das Grundrecht eines Einzelnen einzugreifen ist durchaus möglich, wenn dies dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Gegenüber stehen sich an dieser Stelle auf der einen Seite das überragende Gut der Volksgesundheit (das Gemeinschaftsgut) und auf der anderen Seite das Individualrecht jedes Einzelnen. Um eine Abwägung zwischen diesen Gütern bewerten zu können, muss der Eingriff geeignet, erforderlich und angemessen sein.
Große Zweifel bestehen jedoch grundsätzlich an der Eignung der Ausgangssperre als tatsächliches Mittel zur Eindämmung von Infektionszahlen. So zeigt sich bei einem pragmatischen Blick auf die Realität: Nachts halten sich weitaus weniger Menschen auf der Straße auf als tagsüber. Diese Maßnahme würde sich also wohl kaum auf das Infektionsgeschehen auswirken.
Außerdem gab es bereits Ausgangssperren, beispielsweise in Bayern oder in Nachbarländern. Hier gibt es keine evidenzbasierte Statistik, die besagt, dass nächtliche Ausgangssperren zu einem erheblichen Rückgang der Infektionszahlen führen würden. Es gibt also keine faktenbasierte Argumentationsgrundlage, die den Mittel zum Zweck untermauern würde. Das Fehlen solcher statistischen Daten zeigt: Eine derart massive Beschneidung des Grundrechts des Einzelnen ist hier daher nicht verhältnismäßig.
Eine Ermächtigungsgrundlage liegt zwar auch in diesem Punkt – wie schon im Punkt der Ausgangssperren – vor, dennoch sind auch Besuchs- und Kontaktverbote juristisch fragwürdig.
Um dies zu prüfen, steht auch hier wieder der Vergleich an: Was wiegt mehr, das überragende Gemeinschaftsschutzgut der Volksgesundheit oder das Individualgrundrecht jedes Einzelnen? Nachfolgend muss es dementsprechend auch an dieser Stelle wieder heißen: Ist das Mittel geeignet, erforderlich und angemessen?
Zur Beantwortung dieser Frage lohnt sich erneut ein Blick auf die Statistiken, die aus Erfahrungen der vergangenen Monate hervorgehen. Dort zeigt sich vermehrt: Die privaten Haushalte sind als Hauptspreader anzusehen, was das Infektionsgeschehen angeht. Dies könnte eine Reduzierung der Kontakte im privaten Bereich als geeignet und vielleicht sogar als erforderlich einordnen.
Weiterhin wirft die Frage nach der Erforderlichkeit immer auch auf, ob es vielleicht ein milderes Mittel gibt. Denn solch massive Eingriffe in die Grundrechte sollten immer das letzte Mittel der Wahl sein. Der Blick auf die aktuelle Situation macht deutlich: Wir haben die Impfung und vor allem haben wir Schnelltests. Wäre es dann nicht eine verhältnismäßigere Maßnahme, private Kontakte zu erlauben, sofern von der definierten Anzahl an Personen, die sich treffen, jeweils ein negativer tagesaktueller Coronatest vorliegt?
So ist das pauschale Aussprechen von Kontakt- und Besuchsverboten aufgrund anderer möglicher Vorgehensweisen juristisch ebenfalls fragwürdig.
Verhältnismäßig muss auch der Umgang mit Verstößen gegen die Maßnahmen werden. So muss der Staat behördliches Verhalten der Exekutive dringend vereinheitlichen. Es bleibt die Frage danach, wie zum Beispiel die Polizei nun Verstöße gegen Corona-Vorschriften ahndet. Nur durch einheitliche Regelungen kann auch hier eine Verhältnismäßigkeit geschaffen werden.
Ein weiterer Vorschlag, den die Politik zur Eindämmung des Infektionsgeschehens macht, ist die Testpflicht in Unternehmen. Insbesondere dort, wo Homeoffice nicht möglich ist und wo eventuell sogar Kundenkontakt besteht, soll ein- bis zweimal pro Woche getestet werden. Der Arbeitgeber müsste dafür die Kosten und die Logistik übernehmen.
Unklar an dieser Stelle: Welche rechtliche Grundlage gibt es vom Staat an den Arbeitgeber? Außerdem fraglich: Ist der Arbeitnehmer verpflichtet, den Test auch durchzuführen, wenn der Arbeitgeber es verlangt?
Im Gegensatz zu den zuvor genannten geforderten Maßnahmen liegt der Bundesregierung zu diesem Punkt keine Ermächtungsgrundlage vor. Im Corona-Arbeitsschutzgesetz ist nämlich nur die Rede davon, dass Tests angeboten werden können. Das ist eindeutig keine Pflicht, sondern eine freiwillige Vorschrift. Aus dem Infektionsschutzgesetz, lässt sich ebenfalls keine Ermächtigungsgrundlage herleiten, dass die Arbeitgeber verpflichtet sind, solche Tests durchzuführen. Denn: Das Gesetz richtet sich an Behörden und nicht an private Arbeitgeber
Es handelt sich an dieser Stelle also um eine freiwillige Maßnahme des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer. Inwiefern der Arbeitgeber den Arbeitnehmer möglicherweise zur Durchführung des Tests verpflichten kann, kann das sogenannte Direktionsrecht des Arbeitgebers vorgeben. Darin ist festgelegt, dass der Arbeitgeber zur Erhaltung der betrieblichen Belange gegenüber dem Arbeitnehmer befugt ist, Weisungen zu erteilen. Und das kann im aktuellen Fall eben gegebenenfalls die Weisung sein, dass der Arbeitnehmer einen Test durchführen muss.
Doch auch hier gibt es juristisch gesehen natürlich zwei Seiten zu betrachten. Denn Arbeitsschutzrechtlich könnte es diesbezüglich Probleme geben. Außerdem kommt vermutlich das Thema Datenschutz in die Quere, schließlich würde es sich bei den Corona-Tests um personenbezogene Daten des Arbeitnehmers handeln, die vom Arbeitgeber verarbeitet würden. Auch hier muss eine Abwägung der verschiedenen Bereiche und ein Rückbezug auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme stattfinden.
Die bisherigen Überlegungen zeigen erneut: Es handelt sich um höchstkomplexe Zusammenhänge und komplizierte Abwägungen verschiedener Rechtsgrundlagen. Doch trotzdem kann festgehalten werden: Der Corona-Mega-Lockdown, den Merkel angesprochen hat, ist juristisch an vielen Stellen in der Art nicht umsetzbar.
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