Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden, dass der Gesetzgeber unverzüglich eine pandemiebedingte Triage-Regelung treffen muss. Damit wurde der Verfassungsbeschwerde mehrerer Menschen mit Behinderung stattgegeben. Nähere Informationen dazu finden Sie hier im Folgenden!
Das BVerfG hat entschieden, dass der Bundestag für den Fall der pandemiebedingten Triage unverzüglich Vorkehrungen treffen muss, um Menschen mit Behinderung zu schützen. Dass diese bislang nicht erfolgt sind, sei verfassungswidrig. Der Gesetzgeber habe damit eine Handlungspflicht verletzt, die aus dem Schutzauftrag wegen des Risikos für das höchstrangige Rechtsgut Leben folge. Die Richter verweisen dabei unter anderem auf Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 des Grundgesetzes. Danach dürfen Menschen mit Behinderungen nicht benachteiligt werden.
Das BVerfG gibt damit der Verfassungsbeschwerde mehrerer Menschen mit Behinderung statt. Laut den Richtern sind Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen und Beeinträchtigungen in der Pandemie besonders gefährdet. Sollte der Fall eintreten, dass auf den Intensivstationen nicht genügend Betten und Beatmungsgeräte zur Verfügung stehen, bestehe die Gefahr, dass nicht alle behandelt werden können.
In der Medizin bezeichnet man Triage als eine Methode, nach der in Notlagen oder Pandemien ausgewählt wird, wer zuerst behandelt wird. Es betrifft Situationen, in denen weniger Plätze oder Geräte zur Verfügung stehen als erforderlich. Ärzten wird dann die Entscheidung überlassen, welche Patienten etwa ein Beatmungsgerät erhalten.
Man kennt den Begriff ursprünglich aus dem militärischen Kontext. Das Wort Triage stammt vom französischen Verb „trier“ – übersetzt bedeutet es „sortieren“ oder „aussuchen“.
Im Triage-Fall spielt unter anderem die Überlebenschance eine Rolle. Bislang gibt es keine konkreten Vorgaben, sodass der Gesetzgeber einen weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum hat. Das BVerfG fordert hier eine gesetzliche Regelung. Das Problem sei dabei, dass Mediziner sich bei Triage-Entscheidungen in einer Extremsituation befinden und schnell entscheiden müssen, wer versorgt wird und wer nicht.
Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) hatte mit anderen Fachgesellschaften maßgebliche „klinisch-ethischen Empfehlungen“ erarbeitet. Dabei seien die klinischen Erfolgsaussichten das entscheidende Kriterium. Bei den genannten Kriterien spielen auch die Gebrechlichkeit des Patienten und zusätzlich bestehende Krankheiten eine Rolle. Neun Menschen mit Behinderungen und Vorerkrankungen reichten daraufhin Verfassungsbeschwerde ein. Die Kläger befürchteten, von Ärzten aufgegeben zu werden, wenn keine Vorgaben existieren.
Laut dem BVerfG seien die Empfehlungen der DIVI allerdings nicht verbindlich und kein Synonym für den medizinischen Standard im Fachrecht. Die Beurteilung, die sich aus den Empfehlungen ergibt, könnte zu möglichen Risiken führen. Es müsse sichergestellt werden, dass allein nach der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit entschieden wird.
Die Bundesregierung hat nun angekündigt, zügig einen Entwurf zum Schutz von Menschen mit Behinderung im Falle einer Triage-Situation zu erarbeiten. Laut Bundesjustizminister Marco Buschmann müsse das erste Ziel sein, gar nicht erst in eine solche Situation zu kommen. Wenn es aber doch dazu kommen sollte, bedarf es klaren Regeln, die Menschen mit Handicaps Schutz vor Diskriminierung bieten.
Nach Ansicht des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach bedürfen Menschen mit Behinderung mehr als alle anderen den Schutz durch den Staat – erst recht im Fall der Triage. Er rief dazu auf, die Triage-Situation durch wirksame Schutzmaßnahmen und Impfungen zu verhindern. Auch der Vorsitzende des Weltärztebundes Frank Ulrich Montgomery zeigt sich erfreut über das Urteil: der Gesetzgeber müsse nun Leitlinien definieren, nach denen sich medizinische Organisationen richten müssten. Die Verantwortung für die Letztentscheidung würde aber dennoch bei den Ärzten bleiben.
Für weitere Fragen wenden Sie sich an die Mingers. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Wir beraten Sie gerne! Erreichen können Sie uns unter der Telefonnummer 02461/ 8081, dem Kontaktformular auf unserer Website oder Sie schreiben uns eine E-mail an Office@mingers.law.
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