Nicht erst seit der weltweiten Finanzkrise weiß man um die Komplexität von Finanzgeschäften und entsprechenden Transaktionen. Immer wieder gelingt es dabei Superreichen, Lücken im System zu finden und diese gnadenlos auszunutzen. Es geht um Aktiengeschäfte in Sekundenschnelle und Zusammenschlüsse einer ganzen Branche. Besonders umstritten und kompliziert sind so genannte „Cum-Ex-Geschäfte“. Die erst 2012 geschlossene Gesetzeslücke soll den Fiskus mehr als eine Milliarde gekostet haben. So ist es nicht verwunderlich, dass die Finanztransaktionen jetzt vom Bundesfinanzhof (BHF) unter die Lupe genommen werden.
Was ist ein „Cum-Ex-Geschäft“ eigentlich?
In steuerrechtlichen Kreisen ist ein solcher Deal ein schon lange heiß diskutiertes Thema. Im Einzelnen geht es bei den auch „Dividendenstripping“ genannten Geschäften um einen raschen Kauf und Verkauf von Wertpapieren rund um den Dividendenstichtag, um eine mehrfache Erstattung von Kapitalertragssteuern zu gewährleisten. Praktisch gesehen bekommt man bei dieser Vorgehensweise von der Bank eine Bestätigung, eine Kapitalertragsteuer abgeführt zu haben. Obwohl nicht gezahlt wird, kommt es zu einer mehrfachen steuerlichen Geltendmachung vor den zuständigen Finanzbehörden. Viel zu spät kamen diese hinter die Tricks. Inzwischen gehe man davon aus, dass es sich um eine illegale Aktivität gehandelt habe.
Um welche Größenordnung geht es und warum hat die Politik nicht reagiert?
Wie viel Geld genau in den „Cum-Ex-Geschäften“ steckt oder abgewickelt worden ist, kann man nach jetzigem Stand nicht eindeutig beantworten. Verschiedenen medialen Berichten zufolge soll sich die Gesamtsumme auf bis zu zwölf Milliarden Euro belaufen. Andererseits ist in Bezug auf die ausstehenden Forderungen der Länder „nur“ von einer Milliarden Euro die Rede. So soll zum Beispiel allein die Hypovereinsbank für entsprechende Steuernachzahlungen 200 Millionen Euro zurückgelegt haben. Gleiches droht der ohnehin schwächelnden HSH Nordbank. In jedem Fall sind die im Raum stehenden Beträge immens und ein politisches Versagen nicht von der Hand zu weisen. Schon unter Finanzminister Eichel (SPD) gab es immer wieder Hinweise und Warnungen im Hinblick auf die oben beschriebenen Aktiengeschäfte. Auf eine politische Reaktion aber wartet man vergeblich. Gerhard Schick (Finanzpolitischer Sprecher der Grünen) bringt es auf den Punkt: „Der Staat hat kein Geld, um Straßen zu reparieren. Dafür wurde das Geld an Banken und Millionäre überwiesen, einfach skandalös“. Sogar der Bankenverband selber hatte zwischenzeitlich auf die Gesetzeslücken hingewiesen. Deren Empfehlungen zur Bekämpfung des Problems ist man dann auch ohne Beanstandungen gefolgt. Die Lobby hat also mal wieder ganze Arbeit geleistet.
Wieso waren derartige Geschäfte überhaupt möglich?
In einem Urteil aus dem Jahr 1999 hatte bereits der Bundesfinanzhof festgehalten, dass Investoren und Banken bestimmte Eigenheiten der Abwicklungssysteme an den Börsen sowie steuerrechtliche Besonderheiten unter Wissen von Bund, Ländern und Finanzbehörden nutzten. Rechtlich gesehen sei das Dividendenstripping damals nicht zu beanstanden gewesen. Wie oben gesehen, wurde das Schlupfloch aber erst 2012 durch eine Neuregelung der Nachweispflichten geschlossen. Entscheidender Faktor für die Bewertung einer unzulässigen Steuergestaltung wird die mündliche Verhandlung vor dem BFH sein. Wie die ARD kürzlich aufdeckte, sollen in die Deals namhafte Unternehmer verstrickt gewesen sein. Ein prominentes Beispiel ist Erwin Müller, Chef der gleichnamigen Drogeriekette, der um die 50 Millionen Euro bei einem Renditeversprechen von zwölf Prozent investiert hatte. Vermittler war damals die private Sarasin-Bank. Heute will Müller nicht mehr wissen, worum es bei den Aktiengeschäften eigentlich ging.
Wie geht es in dem Verfahren vor dem Bundesfinanzhof weiter?
Aufgrund des geltenden Steuergeheimnisses sind kaum Details aus dem laufenden Verfahren bekannt. Unter Berufung auf die Länder soll es sich aber um circa fünfzig Stück handeln. Tatvorwurf sei laut Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt der Verdacht der Steuerhinterziehung. Innerhalb von vierzehn Tagen nach der mündlichen Verhandlung treffen die Richter dann die Entscheidung. Erst dann ist mit einer Information an die Öffentlichkeit zu rechnen. Im Einzelfall kann jede Entscheidung des Gerichts Signalwirkung haben. Bei einem so genannten Nichtanwendungserlass hingegen wäre die Entscheidung nur auf den konkreten Einzelfall anzuwenden. Die Entwicklungen bleiben also spannend.
Fazit!
Zwar mögen die „Cum-Ex-Geschäfte“ zu gewissen Zeiten vom Gesetz gedeckt gewesen sein. Doch muss sich der Staat fragen, warum er so lange trotz der Warnungen nicht reagiert hat. Inzwischen befasst sich auch ein Untersuchungsausschuss des Bundestages mit dem Milliardenverlust aufgrund solcher Deals. Eine Rückerstattung dagegen ist nicht mehr möglich. Die Suche nach anderen Schlupflöchern läuft indes schon wieder auf Hochtouren.
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