In der Pandemie mussten unzählige Urlaubsreisen storniert werden. Dies führte nicht nur zu geplatzten Reiseplänen, sondern auch zu finanziellen Verlusten. In den ersten Monaten der Pandemie traten deswegen viele Urlauber von ihren Buchungen zurück. Dafür fallen in der Regel Stornogebühren an – diese können aber je nach genauen Umständen des Einzelfalls wegfallen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in drei Fällen mit der Frage befasst, ob ein kostenloser Reiserücktritt vom Pauschalurlaub wegen Corona möglich ist und wenn ja, unter welchen Kriterien. Wir geben Ihnen im Folgenden einen Überblick, wie die Entscheidungen ausgefallen sind!
Tritt der Reisende vor Reisebeginn vom Vertrag zurück, so steht dem Reiseveranstalter nach § 651h Absatz 1 Satz 3 BGB ein Entschädigungsanspruch zu. Der Anspruch auf sogenannte Stornogebühren ist aber ausgeschlossen, wenn am Reiseziel unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände auftreten, welche die Reise erheblich beeinträchtigen.
„Laut BGH-Urteil aus dem Jahr 2020 ist der Ausschlusstatbestand bereits dann einschlägig, wenn die Reise aus Sicht eines verständigen Durchschnittsreisenden mit erheblichen und nicht zumutbaren Risiken verbunden wäre“, weist Rechtsanwalt Markus Mingers hin. „Der Ausbruch der Corona-Pandemie stelle einen solchen außergewöhnlichen Umstand dar. Er hatte zumindest im Sommer 2020 das Potenzial, eine Reise erheblich zu beeinträchtigen.“
Ob dem Reisenden tatsächlich ein kostenloser Reiserücktritt zusteht, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die BGH-Richter haben sich mit drei unterschiedlichen Einzelfällen beschäftigt – und sind zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen.
Im vorliegenden Fall hatte eine 84-jährige Frau im Januar 2020 für 1.600 € eine Flusskreuzfahrt auf der Donau für Juni gebucht. Aufgrund von wiederkehrenden Problemen mit Lungen- und Bronchialentzündungen riet ihr die Hausärztin davon ab, weswegen sie die Buchung zwei Wochen vor Reisebeginn stornierte.
Die Kreuzfahrt fand mit Hygienekonzept statt: statt 176 gingen nur 100 Passagiere an Bord, es galt die Maskenpflicht und es wurde in zwei Schichten gegessen. Der Veranstalter verlangte von der Frau Stornogebühren in Höhe von 85 %.
Der BGH hat entschieden, dass die Reisende nicht zahlen muss. Die Richter begründen ihr Urteil damit, dass ihr hohes Alter ein Risikofaktor sei. Das Ansteckungsrisiko sei wegen der beengten Verhältnisse an Bord deutlich größer gewesen als zuhause und es habe zu diesem Zeitpunkt noch keine Impfungen und Therapien gegeben. Sie gehen davon aus, dass, dadurch dass die Frau ihre Reise vor Ausbruch der Pandemie gebucht hat, sie nicht gewusst hat, worauf sie sich einlässt.
In einem anderen Fall vor dem BGH hatte ein Mann eine Pauschalreise für Juli 2020 in Höhe von 3.500 € gebucht. Die Reise umfasste Flüge und Hotelpension für zwei Erwachsene und ein Kind auf Mallorca. Aber leider war das gebuchte Hotel jedoch damals „pandemiebedingt nicht geöffnet“ und machte auch im Juli nicht wieder auf.
Laut BGH sei allein das geschlossene Hotel kein Grund, dem Mann die Stornogebühren zu erlassen. Allerdings gab es in derselben Anlage ein zweites Hotel einer besseren Kategorie, das der Veranstalter der Familie als Alternative hätte anbieten können.
Hier ist die Frage nach der Zahlungsverpflichtung somit weiterhin offen. Der Fall wurde zur erneuten Prüfung zurück an das zuständige Landgericht verwiesen.
Im letzten der drei Fällen hatte ein Mann eine Ostsee-Kreuzfahrt für August 2020 für mehr als 8.000 € gebucht. Dabei musste er eine Anzahlung in Höhe von 3.200 € leisten. Als Ende März eine weltweite Reisewarnung des Auswärtigen Amtes vor nicht notwendigen touristischen Reisen ins Ausland ausgesprochen wurde, trat er vom Vertrag zurück.
Einige Monate später sagte der Veranstalter selbst die Kreuzfahrt komplett ab – und behielt einen Teil der Anzahlung ein.
Die Richter tendieren in solchen Fällen dazu, die nachträgliche Entwicklung zu berücksichtigen. Der Zeitpunkt des Rücktritts allein sei hier nicht ausschlaggebend. Zudem müssten für Pauschalreisen die nach der EU-Richtlinie geltenden einheitlichen Regeln beachtet werden.
Ein Urteilen diesem Fall ist noch nicht gefallen. Das Verfahren wurde ausgesetzt. Es soll zunächst ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) abgewartet werden, bevor eine Entscheidung fällt.
Obwohl noch viele Fragen offen bleiben und es letztendlich immer auf die Umstände des Einzelfalls ankommt, lässt sich bereits eine klare Linie in der Rechtsprechung erkennen: Je konkreter die Gefahr, umso eher ist ein kostenfreier Rücktritt möglich.
Der EuGH und der BGH werden in Zukunft wohl noch genauer klären, welche Faktoren bei der Bewertung eine Rolle spielen und in welchen Situationen somit keine Stornogebühren berechnet werden dürfen.
Für weitere Fragen steht Ihnen die Mingers. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH zur Seite. Erreichen können Sie uns unter der Telefonnummer 02461/ 8081, dem Kontaktformular auf unserer Website oder Sie schreiben uns eine E-mail an Office@mingers.law.
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