Kommt nun doch der bundesweite Lockdown? Die Bundesregierung hat einen neuen Entwurf des Infektionsschutzgesetzes beschlossen. Es kündigen sich einige Änderungen an, unter anderem sollen die Corona-Maßnahmen der Bundesländer einheitlicher werden. Doch dabei soll künftig der Einfluss der Länder reduziert werden. Was sich konkret ändern könnte und wie der juristische Hintergrund aussieht, erfahren Sie hier.
Die sogenannte Notbremse haben die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten bereits Anfang März beschlossen. Sie besagt, dass ab einer 7-Tage-Inzidenz von über 100 in einer Region bisherige Lockerungen erneut durch strengere Maßnahmen ersetzt werden. Doch in der Art durchgesetzt wie eigentlich vom Bund empfohlen, haben viele Länder die strengen Maßnahmen kaum. Und so wurde die Notbremse, die eine Verschärfung des Lockdowns vorsehen würde, in vielen Bundesländern trotz des vorherigen Beschlusses umgangen.
Das betrachtet der Bund nun als Problem. Von vielen Seiten wird das Vorgehen der Länderchefs diesbezüglich kritisiert, mitunter von Bundeskanzlerin Angela Merkel selbst. Trotzdem fällt das nächste Bund-Länder-Treffen aus, wie sich kürzlich herausstellte. Eine Alternative soll vorerst statt weiterer Beratungen eine konkrete Nachschärfung des Infektionsschutzgesetzes (IfGS) darstellen. So schnell wie möglich sollte sich also das Kabinett mit den geplanten Änderungen befassen, und so hat die Bundesregierung nun den Gesetzentwurf für eine Bundes-Notbremse beschlossen.
Durch eine Verschärfung des IfSG will der Bund vor allem einheitlichere Regelungen dafür schaffen, welche Beschränkungen die Länder ergreifen, wenn der Inzidenzwert in einem Landkreis über 100 steigt. An den ursprünglichen Rahmenbedingungen, die im Zuge der Notbremse gelten sollten, hält der Bund dabei weitgehend fest. In den vergangenen Wochen zeigte sich jedoch vermehrt, dass die Länder die geplanten Regelungen einer Notbremse nicht hinreichend anwenden. Die Verschärfung des IfSG schafft daher nun eine Verbindlichkeit und spricht dem Bund gleichzeitig mehr Kompetenzen zu.
Möglich sind nun verschiedene Szenarien: Entweder wird der Bund mit Zustimmung des Bundesrats dazu ermächtigt, bundeseinheitliche Regelungen für Corona-Maßnahmen zu erlassen – oder durch Bundesgesetze werden bestimmte Regeln für die Länder eben verbindlich vorgegeben. Bei dieser Möglichkeit bedarf es nicht der Zustimmung des Bundesrats.
Die Länder sind es, die für die Ausführung des Infektionsschutzgesetzes zuständig sind. Eigentlich. Sie unterliegen hier zwar der Aufsicht des Bundes – jedoch kann sich der Bund nur sehr begrenzt in die Umsetzung aufzwängen. Eigentlich.
Denn gemäß Artikel 74 GG fallen die Maßnahmen gegen gemeingefährliche Krankheiten in den Bereich der sogenannten konkurrierenden Gesetzgebung. Das bedeutet, dass der Handlungsspielraum des Bundes Vorrang hat gegenüber den Gesetzen oder Verordnungen der Länder.
Genauer sollte ein erst kürzlich in Auftrag gegebenes Gutachten den Hintergrund beleuchten. Zur Ermächtigung des Bundes stellt das Gutachten eindeutig fest: „Es ist zulässig, dass der Bundesgesetzgeber detailreiche und strikte Regelungen trifft, die weitgehend auf unbestimmte Rechtsbegriffe verzichten und so wenig wie möglich Ermessen einräumen. Beim Gesetzesvollzug durch die Länder bestünde in einem solchen Fall wenig Spielraum.“ Grund dafür ist, dass der Bund eben die Gesetzgebungskompetenz für das Infektionsschutzgesetz innehat – die Länder können in bestimmten Fällen also kaum Einspruch erheben.
Dem Bundestag ist es also durch die Änderung des IfSG möglich, den Ländern die Zuständigkeit für Verordnungen zum IfSG zu entziehen. Für den Beschluss konkreter Maßnahmen wäre dann die Bundesregierung zuständig. Das Parlament könnte bestimmte Einschränkungen selbst beschließen.
Schwierig wird diese Entmachtung der Länder in vielen Bereichen – insbesondere aber in Bezug auf das Thema Bildung. Denn diese ist eindeutig Ländersache (festgehalten in Artikel 70 GG), während der Bund in diesen Belangen allein für den Infektionsschutz zuständig ist. In welcher Form der Bundesrat also an der Entmachtung der Länder letztendlich zu beteiligen wäre, könnte ein Thema für das Bundesverfassungsgericht werden.
Aus dem Gutachten geht jedoch bereits hervor, dass Schulen als Gemeinschaftseinrichtungen zu betrachten sind und dementsprechend aus der Perspektive des Infektionsschutzgesetzes auch als solche zu behandeln sind. Dies würde bedeuten, dass der Bund die Schließung von Schulen durchaus anordnen kann.
Was im Gutachten bei all den Anmerkungen jedoch fehlt, ist die Ausführung dazu, dass es am Ende für jeden Kompetenzzuwachs auf Bundesebene eben doch auch der Zustimmung der Länder bedarf. Denn über den Bundesrat müssen sich die Länder daran beteiligen können, dass der Bund mehr Einfluss bekommt. Was dies schließlich im Fall des Infektionsschutzgesetzes bedeutet, bleibt zunächst fraglich. Denn ob eine Änderung am IfSG ein zustimmungspflichtiges Gesetz oder doch ein Einspruchsgesetz ist, bleibt vorerst umstritten.
Klar ist jedoch, dass selbst für den Fall, dass es ein Einspruchsgesetz ist, die Länder im Gesetzgebungsverfahren ihre Interessen geltend machen können.
Ebenfalls unklar ist, wie sich die Änderung des IfSG schließlich tatsächlich auf die Corona-Maßnahmen auswirken könnte. Zum einen wird es durch die Ermächtigung möglich sein, dass Verordnungen auf Bundesebene erlassen werden. So könnte es zum Beispiel durch ein sogenannten „Maßnahmegesetz“ einen flächendeckenden Lockdown geben. Weiterhin soll zwischen 21 und 5 Uhr eine einheitliche Ausgangssperre gelten, Einzelhandel und Gastronomie geschlossen sowie die Kontaktbeschränkung bei privaten Treffen ausgeweitet werden.
Außerdem ist zunächst unklar, ab wann die Notbremse auf Bundesebene in Kraft treten kann. Denn bisher fehlt die Zustimmung von AfD, FDP und Linken, sodass sich der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesänderung noch verzögern wird.
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